Industrie, Bildung, Sicherheit WZ-Landtagwahlbus: Lkw parken Hafen zu, Lehrer fehlen, Angst vor Einbrüchen steigt

Industrie, Bildung, Sicherheit: Vor der Landtagswahl hat die WZ die Kandidaten, Leser und Experten zur politischen Busfahrt eingeladen.

Krefeld. Die SPD-Kandidaten Ina Spanier-Oppermann und Benedikt Winzen sind spät dran. Gerade noch rechtzeitig erreichen sie den Bus zur politischen Stadtrundfahrt mit Lesern der Westdeutschen Zeitung, Hörern von Welle Niederrhein und weiteren Landtagskandidaten von CDU, FDP, Piraten und den Grünen an der Ostwall-Haltestelle. Im Bus sind Bürger und Politiker auf Tuchfühlung gegangen. Als Waldemar Janischewski den Motor anwirft, steigt die Spannung bei den Mitfahrern im Bus. „Wir freuen uns, Sie an Bord der WZ-Bustour zur Landtagswahl begrüßen zu dürfen“, spricht WZ-Redaktionsleiter Michael Passon gegen das Motorgeräusch ins Mikrofon und blickt in viele gespannte Gesichter. „Wir machen uns jetzt auf zu einer politischen Stadtrundfahrt, die es in Krefeld so noch nicht gegeben hat. Mit uns an Bord sind viele Ihrer Landtagskandidaten, die ab kommenden Montag für Sie in Düsseldorf Politik machen wollen — nutzen Sie die Chance und löchern Sie sie mit Ihren Fragen.“

 Bürgervereinsvorsitzender Manfred Grünwald (l.) hat Benedikt Winzen (SPD, M.) viel zum Thema Sicherheit zu sagen.

Bürgervereinsvorsitzender Manfred Grünwald (l.) hat Benedikt Winzen (SPD, M.) viel zum Thema Sicherheit zu sagen.

Nach einigen Metern durch den Feierabendverkehr der Innenstadt deutet sich an: Das Konzept geht auf. „Ich finde die Idee hinter dieser Veranstaltung einfach gut, weil man die Möglichkeit bekommt, in lockerer Atmosphäre an die Politiker ranzukommen“, sagt Rolf Rönsch, der mit seiner Frau Hannelore eine Reihe von Themen mitgebracht hat, die er mit den Parteivertretern besprechen will. „Sicherheit, Wirtschaft und Bildung — das sind doch Sachen, die uns alle angehen“, sagt er.

 Die Leser erzählen, WZ-Reporter Steffen Hoss hört zu und schreibt mit.

Die Leser erzählen, WZ-Reporter Steffen Hoss hört zu und schreibt mit.

Sollte man meinen. An der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule haben es die Schüler des Sowi-Kurses leider nicht rechtzeitig zur lockeren Gesprächsrunde in die Solarhalle, die eher an ein Gewächshaus als an eine Schule erinnert, geschafft. Schade, aber an Gesprächsstoff mangelt es trotzdem nicht: Herausforderungen bei der Umsetzung von Inklusion, Lehrermangel, aber vor allem die Glaubensfrage G 8 oder G 9 sind heiß diskutierte Themen. Sein Enkel mache jetzt das Abitur nach zwölf Jahren, erzählt Heinz-August Klönne, der bezweifelt, dass alle Gymnasiasten damit so gut zurecht kommen. „Wie ist ihre Antwort darauf?“, fragt er die Landtagskandidaten. Die haben wie jede Partei eine andere Farbgebung: Wahlfreiheit zwischen dem Abi nach zwölf und 13 Jahren ist die Antwort der SPD, während CDU-Frau Britta Oellers hinter der Idee steht, an einem Gymnasium G 8, am anderen G 9 anzubieten, „um die Schulen zu entlasten“. Karsten Ludwig (Grüne) vertritt ein drittes Modell: Eine Differenzierung zwischen G 8 und G 9 in der Mittelstufe. Der Vorteil, so Ludwig: „Die Oberstufe umfasst wieder drei Schuljahre — für alle Schüler.“ Kritik kassiert er dafür von Benjamin Zander, der als Vertreter der Stadtschulpflegschaft gekommen ist: „Was Sie hier skizzieren, ist eine Gesamtschule für alle.“

 Die Themen Sicherheit, Bildung und Wirtschaft bieten viel Diskussionsstoff — auch unter den Teilnehmern.

Die Themen Sicherheit, Bildung und Wirtschaft bieten viel Diskussionsstoff — auch unter den Teilnehmern.

Philipp Einfalt, Krefelder Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), machen hohe Belastungen für Lehrer Sorgen: „Gerade Grundschullehrer haben mit bürokratischen Hürden, mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Inklusion und der Zuwanderungsproblematik zu kämpfen“, beschreibt er seine Erfahrungen als Gewerkschafter — und schiebt einen Wunsch an die potenziellen Landtagskandidaten hinterher: „Ich wünsche mir mehr Diskussionen vor Ort. Viele der Probleme an der Basis kommen gar nicht im Landtag an.“

 Das Bustour-Programm ist vollgepackt: Von der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule ...geht’s mit dem Bus weiter ...

Das Bustour-Programm ist vollgepackt: Von der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule ...geht’s mit dem Bus weiter ...

Foto: Andreas Bischof
WZ-Landtagswahlbus: Leser und Hörer erleben Kandidaten ganz nah
23 Bilder

WZ-Landtagswahlbus: Leser und Hörer erleben Kandidaten ganz nah

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Warum immer weniger junge Menschen Lehrer werden wollen? Neben der hohen Arbeitsbelastung ist auch die schlechte Bezahlung laut Marc Blondin (CDU) eine Antwort auf diese Frage: „In NRW sind 700 Schulleiterstellen unbesetzt.“ Nicht nur bei den Rektoren müsse an der Gehaltsschraube gedreht werden.

 ... zum Polizeipräsidium (Fotos Mitte). Dort sorgt Bratwurst Paule für einen Snack, dann wird weiter diskutiert ...

... zum Polizeipräsidium (Fotos Mitte). Dort sorgt Bratwurst Paule für einen Snack, dann wird weiter diskutiert ...

Auch im Bereich der Förderschulen fehle es an qualifizierten Arbeitskräften, beobachtet Einfalt. Während FDP-Mann Daniel Dick gegen Sylvia Löhrmanns NRW-Schulpolitik schießt — „es gibt zu wenig Fortbildungen in dem Bereich, Lehrstellen fallen weg, Förderschulen müssen schließen — das ist das Ergebnis einer falschen Umsetzung von Inklusion“ — sucht Britta Oellers die Wurzel des Problems an anderer Stelle: Ja, der Markt bei den Sonderpädagogen sei „leergefegt. Dass man das Studium mit einem Numerus clausus belegt, ist da nicht förderlich“, glaubt die CDU-Frau und betont: „Man wird nicht ein besserer Lehrer, wenn man sein Abi mit 1,0 gemacht hat.“

 auch zwischen den Landtagskandidaten (hier v.r. Karsten Ludwig, Britta Oellers und Daniel Dick mit Redaktionsleiter Michael Passon) gibt’s Gesprächsstoff.

auch zwischen den Landtagskandidaten (hier v.r. Karsten Ludwig, Britta Oellers und Daniel Dick mit Redaktionsleiter Michael Passon) gibt’s Gesprächsstoff.

Foto: Andreas Bischof

Zwischen IHK und Polizeipräsidium warten bereits die Experten Christian Albrecht (Gewerkschaft der Polizei) und Manfred Grünwald (Vorsitzender des Arbeitskreises der Krefelder Bürgervereine) auf die Teilnehmer der WZ-Bustour. Die Themen vor Ort: Innere Sicherheit und Polizei. Und von weitem ist er schon zu sehen: der mobile Stand von Bratwurst Paule. Vor dem Essen scharen sich die Teilnehmer um die Experten. Christian Albrecht berichtet aus dem Alltag der Krefelder Polizei. „Natürlich könnten wir mehr Personal gebrauchen“, sagt er. Auf die zu kleinen Dienstwagen angesprochen, entgegnet der Polizist: „Das mit den derzeitigen Autos ist ein Dilemma. Nach meinen Infos soll es nach dem Auslaufen der jetzigen Leasingverträge aber wohl größere Fahrzeuge geben.“

 Bei der anschließenden Werksrundfahrt auf dem Gelände von Thyssen im Hafen gibt’s spannende Details zur Krefelder Wirtschaft.

Bei der anschließenden Werksrundfahrt auf dem Gelände von Thyssen im Hafen gibt’s spannende Details zur Krefelder Wirtschaft.

Leser Rolf Rönsch erklärt derweil: „Wenn in der Zeitung alle zwei, drei Tage steht, dass in Fischeln wieder eingebrochen wurde, und man anhand der Straßen herauslesen kann, dass der Kreis immer enger wird — dann ist das kein gutes Gefühl. Ich habe den Eindruck: Es sind immer weniger Polizisten auf der Straße.“ Ein Problem, dem unter anderem die CDU Abhilfe schaffen will. „Wir machen uns dafür stark, Verwaltungsassistenten einzustellen, die die Streifenpolizei entlasten. Dann sind direkt mehr Beamte auf der Straße. Und: Wir wollen auch Realschülern wieder den Zugang zur höheren Polizeilaufbahn ermöglichen“, sagt CDU-Landtagskandidat Marc Blondin. Benedikt Winzen (SPD) wirbt hingegen für mehr Stellen beim Kommunalen Ordnungsdienst und dem Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen bei der Sicherung von Parkhäusern oder Veranstaltungen.

Hans Stricker und Gabi Leven sind extra zum Nordwall gekommen, um sich zu vergewissern, dass „ihre“ Kandidaten eine gute Figur abgeben. „Gewählt haben wir schon. Gerade eben haben wir die Briefe im Rathaus eingeworfen“, sagt Stricker. Zum Thema Sicherheit haben beide eine klare Haltung. „Aus unserer Sicht ist es in Krefeld genauso sicher oder unsicher wie immer“, sagt Leven. „Wir fühlen uns nicht bedroht und gehen gern, auch abends, durch die Stadt.“

Brigitte Pleus und ihr Partner Kurt Beckmann-Graf sind begeistert. „So haben wir uns das gedacht. Ganz eng mit den Kandidaten zusammen, einfach ins Gespräch kommen.“ Und das nutzen die beiden Krefelder auch intensiv. Zum Beispiel mit Benedikt Winzen zum Thema Wirtschaft. Genauer: Leerstände in der Innenstadt. Die Entwicklung des Einzelhandels, findet Pleus, sei ein Trauerspiel. SPD-Mann Winzen wirbt für mehr Wohnraum gerade dort, wo im Erdgeschoss Leerstand ist. Der Bedarf an Gewerbeflächen in der City sei rückläufig. „Leerstände müssen wir in jedem Fall vermeiden und Wohnen in der City, dazu noch barrierefreien, stärkt den Standort.“ Und Pleus hat noch mehr Fragen im Gepäck, teilweise als Auftrag. „Wir haben heute morgen im Büro über diese WZ-Aktion diskutiert und darüber, was einzelne Kollegen wissen wollen. Ich hab das mitgebracht.“

Da geht’s natürlich um die Industrie. Zum Standort Krefeld meint Daniel Dick (FDP): „Wir dürfen nichts tun, was die gut bezahlten Arbeitsplätze gefährdet. Eine Industriegrundstücke-Politik ist überfällig. Im Straßen-, Brücken- und Autobahnausbau haben wir massiven Nachholbedarf. Außerdem gilt: Breitband für alle, vor allem für den Dienstleistungssektor. Wir befinden uns da auf Augenhöhe mit Ungarn oder Kenia.“ Ein Bundesthema allerdings. „Die Regierung setzt auf die alten Kupferkabel der Post statt auf Glasfaser wie die skandinavischen oder baltischen Staaten.“

Dass für die Logistik verkehrliche Grundvoraussetzungen geschaffen werden, ist Marc Blondin wichtig. „Die Düsseldorfer Straße erhält neuen Asphalt, der Kreisel Floßstraße wird fertig, die Ampelanlage an der Kreuzung vor der Hafenbrücke kommt. Was unabdingbar wäre, ist die Südanbindung an Meerbusch. Da gibt es noch eine Menge zu tun.“ Blondin spricht da mit WZ-Leser Klaus Kemper, ehemals Uerdinger Karnevalsprinz. Der sagt: „Die Südanbindung muss gemacht werden, das ist für den erfolgreichen Hafen das A&O.“

Und genau dort öffnet Betriebsratsmitglied Peter Garus die Thyssen-Pforten für den WZ-Bus. Hier steigen weitere interessierte Bürger hinzu und der frisch gewählte DGB-Chef Ralf Köpke gemeinsam mit Rainer Matzkus, Chef von Gebr. Kickartz, sowie Vertreter des Verbundes „Zukunft durch Industrie“. Beide berichten von ihren Perspektiven auf die Landtagswahl und eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Mit Blick auf den Hafen kritisiert Köpke: „Die Krefelder Wirtschaftsförderung hat vor 2008 geschlafen, seitdem geht es aufwärts. Der Hafen ist voll, erfolgreich — es gibt keinen Platz mehr.“ Wieder ein Blick Richtung Meerbusch. Matzkus fordert eine verbesserte Infrastruktur, die realistisch geplant wird. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass Gelder bewilligt werden in dem Wissen, dass Stadtverwaltungen gar nicht so schnell planen können.“ Insgesamt habe sich die Stimmung in der Krefelder Wirtschaft deutlich verbessert.

Schlechter ist sie mitunter vor den Thyssen-Toren, weil es dort einfach zu wenig Parkplätze gibt. Die Zufahrtsstraßen zum Gelände werden meist gesäumt von Lkw der anliegenden Logistikbetriebe wie Amazon oder Bauhaus. Das, lässt die Krefelder Thyssen-Geschäftsführung ausrichten, beeinträchtige den eigenen Verkehr erheblich. Hinzu komme das Fehlen einer Haltestelle des öffentlichen Personennahverkehrs. Wer morgens um 5 Uhr zur Frühschicht möchte, braucht zwingend ein Auto.

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