„Zerbrochener Krug“ kommt düster daher

Beim Lustspiel von Kleist, das am Samstag Premiere im Theater feierte, betonte Regisseur Hüseyin Michael Cirpici die bedrückenden Seiten des Werks.

„Zerbrochener Krug“ kommt düster daher
Foto: Matthias Stutte

Eigentlich ist nur ein Krug zerbrochen. Doch die Umstände, die dazu geführt haben, decken menschliche Abgründe auf. Ein Lustspiel nannte Heinrich von Kleist sein Stück „Der zerbrochene Krug“. Doch wie so oft ist die Grenze zur Tragödie fließend. Diese Balance zwischen Komik und Tragik zu finden, ist denn auch die Herausforderung für jede Aufführung. Bei der Uraufführung in Weimar 1808 fiel das Stück durch, jetzt zum Spielzeitauftakt im Theater Krefeld reagierte das Publikum sehr positiv. Dabei betont Regisseur Hüseyin Michael Cirpici vor allem die düsteren Seiten des Werkes.

Das beginnt mit dem einheitlichen Bühnenraum (Sigi Colpe), der aus dünnen Wänden besteht, die mit vielen offenen Türen und Durchbrüchen versehen sind. Ein instabiler Raum, dessen Boden auch noch mit mehreren Falltüren versehen ist. Darunter verbirgt sich die Welt des Dorfrichters Adam, über eine Kamera kann auch der Zuschauer immer wieder in diese geöffneten Abgründe sehen. Ein Szenario für einen Alptraum, der hier seinen Lauf nimmt.

Zu Beginn liegt der verwundete Adam (Bruno Winzen) — nur in Unterwäsche bekleidet — schlafend auf dem Boden. Marthe Rull (Eva Spott), ihre Tochter Eve (Anna Pircher), sowie Bauer Tümpel (Michael Ophelders) und sein Sohn Ruprecht (Henning Kallweit) kommen zu ihm und beginnen, ihn wie eine Leiche zu waschen. Diese späteren Prozessbeteiligten verschwinden wieder, Adam erwacht. Bereits im ersten Gespräch mit dem Gerichtsschreiber Licht (Paul Steinbach), der Adam den Besuch des strengen Gerichtsrats Walter (Christopher von und zu Lerchenfeld) ankündigt, erweist sich der selbstherrliche Dorfrichter als glatte und schmierige Persönlichkeit.

Sympathie empfindet man mit ihm wenig, was dem ganzen Verlauf des Stücks etwas die Spannung nimmt. Seine Verfehlungen, die im Verlauf des von ihm selbst geführten Prozesses aufgedeckt werden, sind auch verabscheuenswürdig genug: Lüge, Fälschung sowie Erpressung, verbunden mit sexueller Nötigung gegenüber Eve.

Doch die Art und Weise, wie Adam seine Verletzungen und das Fehlen seiner für die Amtsausführung so wichtigen Perücke zu erklären versucht, haben auch viel komisches Potenzial. An diesem Abend kommt das leider zu kurz, eine gewisse Leichtigkeit, immer haarscharf am Abgrund, fehlt. Trotzdem gibt es schauspielerisch gute Charakterstudien zu sehen. Bruno Winzen, der auch schon optisch nicht dem Klischee des sonst üblichen, behäbigen Dorfrichters entspricht, zeigt intensiv die Zerrissenheit des um seine Existenz bangenden aber auch skrupellosen und aalglatten Mannes.

Unterwürfig und dabei nicht weniger skrupellos ist Paul Steinbach als Gerichtsschreiber Licht, der auf subtile Weise entscheidend zum Fall seines Vorgesetzten beiträgt. Als strenger Gerichtsrat überzeugt auch Christopher von und zu Lerchenfeld. Ensemble-Neuling Henning Kallweit gibt als von der Liebe enttäuschter, leidenschaftlicher Ruprecht ein starkes Debut. Als klatschsüchtige Zeugin Frau Brigitte auftrumpfend, lässt Esther Keil gegen Ende des Abends noch komödiantische Akzente aufblitzen.

Die live gespielte Musik von Julia Klomfaß unterstützt sensibel die unbehagliche Atmosphäre. Das Schlussbild zeigt wieder den schlafenden Adam am Boden, wie zu Beginn. Hat man dem korrupten Richter doch nicht das Handwerk gelegt und alles war nur ein Alptraum?

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