Wie teuer darf Theater sein?

Intendant Michael Grosse dreht an der Preisschraube. Eine heikle Operation — und doch lebensnotwendig.

Krefeld. Als er mit dem Zählen fertig war, musste Gunnar Reichard kurz schlucken. Der Marketingleiter des Theaters Krefeld-Mönchengladbach hatte ausgerechnet, wie viele verschiedene Preise Besucher bezahlen, wenn man alle Staffelungen, Abos und Rabatte, Sitzplätze, Sparten und unterschiedlichen Wochentage sowie die Besonderheiten der beiden Städte einkalkuliert.

Es sind mehr als 4000.

Diese Zahl verdeutlicht, was Generalintendant Michael Grosse meint, wenn er von der „Angleichung“ der Ticketpreise spricht. Schließlich ist das Theater seit 1. Januar eine gemeinnützige GmbH. Warum deren Leistungen in der einen Stadt mehr kosten als in der anderen, lässt sich nur schwer vermitteln.

Also gilt ab nächster Spielzeit ein einheitliches Preissystem für beide Städte (die WZ berichtete). Erstmals gibt es auch ein gemeinsames Spielzeitheft: „Wir wollen verdeutlichen, dass wir ein Theater sind. Da können wir nicht zwei Gesichter zeigen.“

Die Angleichung wird bei vielen Krefelder Kunden als Erhöhung ankommen: Sie zahlen laut Reichard pro Ticket bis zu drei Euro mehr: „Bei einem Abo können es auch mal zwölf Euro sein.“ In einigen Fällen könne es jedoch auch günstiger werden. In Gladbach werden vor allem Sinfoniekonzerte teurer.

Damit wird die Reform nicht zu Ende sein — schließlich bleiben nach dem Ausmisten immer noch 2500 verschiedene Preise übrig. „Das wollen wir weiter vereinfachen“, sagt Grosse.

Er verweist aber auch darauf, dass die Zahl eine gewisse Vielfalt ausdrücke: „Wir decken das soziale Spektrum ab. Bei uns kann man für moderate Preise sogar Musicals oder große Oper sehen.“ Die billigsten Tickets in diesem Segment kosten 12,90 Euro, im Schauspiel nur 9,70 Euro.

Dass diese Werte im regionalen Vergleich eher gering sind, hat bereits 2009 die Unternehmensberatung Actori festgestellt. Insgesamt sei das hiesige Theater „deutlich günstiger als vergleichbare Benchmarks in der Region“, heißt es dort. Im Musiktheater sei eine Karte 3 bis 6 Euro billiger.

Hinzu kommt laut Actori ein Abonnementsystem mit „sehr hohen Rabatten, die teilweise bis zu 45 Prozent betragen“. Dies führe zwar zu einer hohen Kundenbindung — in Krefeld sind 73 Prozent aller Besucher Abonnenten —, aber eben auch zu Einnahmeverlusten. Grosse weiß, dass eine Veränderung behutsam passieren muss: „Manche Traditionen kann man nicht ohne Weiteres zerstören.“

Auch die SPD hat vor zu radikalen Erhöhungen gewarnt: Von einem „sensiblen Instrument“ spricht Kulturpolitiker Klaus Kokol: „Eine Umdrehung zu viel, und ein bisher robustes System könnte in sich zusammenfallen.“

Das weiß Grosse. Doch er weiß auch, dass seine GmbH bis 2015 eine Million Euro zusätzlich erwirtschaften muss, sonst fällt das ganze Konstrukt zusammen. Also plant der Intendant für 2012/13 eine weitere Preiserhöhung um etwa 15 Prozent. Ein dicker Batzen, doch immerhin will Grosse die Erhöhung mit einer „Laufzeitgarantie“ verbinden.

Soll heißen: Für die drei nächsten Jahre soll es keine weitere Erhöhung geben. „Das Publikum soll Verlässlichkeit spüren“, sagt Grosse. Und dazu gehört auch, dass man für seine Karte nicht doppelt so viel bezahlt hat wie der Besucher im Sitz nebenan.

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