Wie Künstler die Mies-Villen verkleiden

Die Häuser Lange und Esters nehmen ständig neue Gestalt an — als Orte für spektakuläre Installationen

Krefeld. Haus Lange wurde mit einer Traglufthalle überspannt, seine Böden mit Stoff überzogen, seine klar strukturierten Räume in ein Labyrinth verwandelt. Haus Esters beherbergte einst eine grüne Höhle. Wie ein roter Faden ziehen sich durch die Ausstellungsgeschichte der Museumshäuser jene Installationen, die für den Ort gedacht waren und die den Dialog mit der Architektur aufnehmen.

Die Bauherren der Häuser Lange und Esters waren beide Kunstsammler. Das hat ihr Architekt Ludwig Mies van der Rohe berücksichtigt. „Orte für Kunst sind die Häuser Lange und Esters von Anfang an gewesen“, schreibt Julian Heynen, ehemaliger stellvertretender Leiter der Krefelder Kunstmuseen.

Haus Lange wurde 1955 zum Museum, Haus Esters 1981. Dass sie als Wohnhäuser geplant waren, können sie nicht verleugnen — trotz ihrer beispielhaft modernen Raumauffassung, ihrer fließenden Beziehung zwischen Innen und Außen. Die Räume der Villen sind keine gewöhnlichen Präsentationsorte.

Das an der Wand hängende Tafelbild ist nicht das typische Werk, dem man hier begegnet. Der Fotograf Andreas Gursky zum Beispiel hat das Haus Lange 2008 zu einer solchen Präsentation genutzt, die formal eher konventionell wirkte.

Yves Klein hingegen ließ 1961 Feuerfontänen vor Haus Lange aufglühen, im Inneren installierte er seinen „Raum der Leere“. Dies war die erste ortsgebundene Arbeit, der viele folgen sollten. Die Traglufthalle, mit der die Gruppe Haus-Rucker-Co 1969 für ihre Schau „Überleben in verschmutzter Umwelt“ das ganze Haus Lange verbarg, ist ein besonders spektakulärer Fall.

Cristo, der bekannte „Verpackungskünstler“, bedeckte die Böden von Haus Lange mit Stoff, ebenso die Wege im Garten dahinter. Dies ist ein weiteres Beispiel aus der Ära Paul Wembers, der die Kunstmuseen konsequent der Moderne geöffnet hat.

Sein Nachfolger Gerhard Storck setzte ab 1975 mit seinem Stellvertreter Julian Heynen diesen Weg fort. Michael Asher drehte etwa 1982 den Grundriss von Haus Lange um 90 Grad und ließ die so entstandenen Wände aus Holz ausführen. Ein Labyrinth war entstanden.

„Ob Mies van der Rohe das immer Recht gewesen wäre, weiß man nicht“, sagt Martin Hentschel, seit 2001 Museumsleiter. Feststellen kann man aber, dass die Architektur die Künstler hochgradig herauszufordern scheint — bis zur völligen Negierung. 2009 hat John Baldessari die Fenster mit Folien verklebt, auf denen sich der Backsteinverbund der Außenwände fortsetzte. Im Inneren hat er die Fenster mit großformatigen Fotos überhängt. Die Aussicht auf fremde Weltgegenden enthob das Haus zumindest virtuell seiner eigentlichen Lage.

Verkaufen lassen sich die ortsgebundenen Installationen meist nicht. „Für die Künstler ist das materiell ein Nullsummenspiel“, sagt Hentschel. Aber die Ehre, in die weltweit bekannten Häuser Lange und Esters eingeladen zu werden, zählt mehr.

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