Wie das Kamel in den Jazzkeller kam

Das Buch zum 50. Geburtstag des Musikclubs ist ein echter Schmöker: Wer darin blättert, versackt in wilden Krefelder Nächten.

Krefeld. Die besten Ideen entstehen an der Theke. Meist sind sie am nächsten Morgen wieder vergessen - doch nicht bei Günter "Fongi" Holthoff. "Wenn hier mal ein Kamel reinkommt, dann spendiere ich fünf Hektoliter Bier", ließ er sich anno 1976 nicht zweimal sagen. Er lieh sich beim Wanderzirkus ein Höckertier und verfrachtete es an die Theke des Jazzkellers. Und Ernst Plegge, der jene unvorsichtigen Worte gesprochen hatte, musste zahlen.

Nach 50 Jahren Musik- und Trinkkultur liegen in allen Ecken des Clubs an der Lohstraße Anekdoten und Erinnerungen herum - es musste sie nur jemand aufsammeln. Holthoff und Mojo Mendiola haben das getan und legen zum Keller-Geburtstag einen Prachtband vor. Auf 210 Seiten lassen sie pralle Geschichte(n) Revue passieren. Tausende Fotos und Zeitungsartikel haben sie studiert, vor allem aber mit Hinz und Kunz geredet. "Das Buch hat hinterher mit uns gemacht, was es wollte", sagt Holthoff.

Schätzungsweise 5000 Konzerte hat es im Jazzkeller bislang gegeben. Jeder, der in der Szene Rang und Namen hat, war da - viele auch, bevor sie Rang und Namen hatten. Der Jazzkeller ist bis heute ein Ort für Entdeckungen geblieben, ein "Kleinod", wie Holthoff sagt: "Hier ist Musikgeschichte geschrieben worden."

Kraftwerk waren da, Udo Lindenberg und Helge Schneider, der mit seiner Band damals für "100 Mark und vier Bier" spielte. Auf einen Namensindex haben die Autoren dennoch verzichtet: "Das wäre ein falscher Anspruch gewesen." Ihr Bildband ist der klassische Schmöker: Umblättern macht süchtig. "Ich bin die halbe Nacht in dem Buch versackt", gesteht Keller-Wirt Bernard Bosil.

Bis heute, erzählt er, sind viele Musiker schockiert, wenn sie den kleinen Club betreten: "Aber nach dem Konzert wollen sie gleich den nächsten Termin ausmachen." Und Stoff liefern für die nächsten 50 Jahre Jazzkeller.

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