Ein Konzert zum Nachdenken

Der Crescendo-Chor hat in seiner Friedensmesse mit dem Titel „Der bewaffnete Mann“ an Krieg, Leid und Grausamkeiten erinnert.

Ein Konzert zum Nachdenken
Foto: Dirk Jochmann

Dieses Konzertprogramm, „The Armed Man — A Mass for Peace“ (Der bewaffnete Mann — eine Friedensmesse) von Karl Jenkins, gab es in St. Josef schon einmal vor zwei Jahren. Jetzt wurde es auf allgemeinen Wunsch, wie Heinz-Peter Kortmann in seiner Begrüßung erklärte, zum zweiten Mal aufgeführt. Bürgermeisterin Gisela Klaer ging in ihrer Einführung in Vertretung für Oberbürgermeister Frank Meyer, der die Schirmherrschaft über dieses hoch politische Konzert übernommen hatte, auf das Thema Krieg ein. Jenkins hat seine 2000 uraufgeführte Friedensmesse zum Gedächtnis an die Opfer des Kosovokriegs komponiert. „Frieden ist auch in Europa keine Selbstverständlichkeit“, sagt Klaer und erinnert daran, dass der Kosovokrieg vor 20 Jahren begann.

„Viele Kriege haben ihre Ursache in religiöser Intoleranz. Toleranz und gegenseitiger Respekt sind auch im Kleinen wichtig, sind für jeden eine Verantwortung. So kann man diese Friedensmesse als ein Anti-Kriegs-Stück verstehen.“ Die erste Liedzeile der Friedensmesse gibt dem Werk seinen Titel. Mit dem Soldatenlied „L’homme armé“ (Der bewaffnete Mann) aus der Mitte des 15. Jahrhunderts beginnt Jenkins. Die Mitglieder des Crescendo-Chors stapfen erst einmal auf der Stelle, simulieren zu Trommelklängen die Schritte eines Heers. Die Assoziation an einen mittelalterlichen Kriegszug gelingt. Zur hohen Flötenstimme kommt das Orchester hinzu und entwickelt mit zunehmender Lautstärke einen bedrohlichen Klang. Musikalisch kommt dieser in der Moderne an. Für die Friedensmesse hat das Rheinische Oratorienorchester seine Schlagzeugabteilung vergrößern müssen, die einen wichtigen Part übernehmen wird.

Das Martialische, die Schilderungen von Kampf, Krieg und anderen Grausamkeiten durch die Jahrhunderte und Kulturen hinweg, bringen die Musiker in bedrückender Anschaulichkeit. Irritierend ist dabei, dass trotz der jedem Zuhörer vorliegenden Texte einige Herren im Publikum sich vom häufigen Marschrhythmus kritiklos anstecken lassen und mit ihren Füßen den Takt mitgehen, mitmarschieren. Für das zweite Stück, den Aufruf zum Gebet „Allahu Akbar“, hat Kortmann mit Fahri Agzikara einen Imam aus Düsseldorf gewonnen. Eindringlich hallt seine Stimme durch den Kirchenraum. Das Kyrie schafft mit dem Spiel der tiefen Instrumente wieder eine düstere, bedrückende Atmosphäre, in die eine Flötenstimme und dann die Sopranistin Ewa Stoschek etwas Helligkeit bringen.

Die Bitte um Erbarmen endet in einem monumentalen Klangbild. Bibeltexte aus Psalm 56 und 59 hat Jenkins in seinem „Hilf mir gegen die Blutgierigen“ als gregorianischen Gesang vertont. Ein kräftiger Paukenschlag am Ende erschreckt, weckt Assoziationen an eine Bombe. Dem anschließenden Sanctus gibt der Komponist einen befremdlichen Marschrhythmus. Dabei schwillt der Klang des Orchesters so stark an, dass die Chorstimmen zeitweise untergehen. Ähnlich geht es dem Chor auch in der beklemmenden Programmmusik „Angriff!“. Die Schlagzeuger und das übrige Orchester produzieren ein bemerkenswertes Schlachtgetümmel. Eine gegensätzliche Stimmung schaffen Instrumentalisten und Sänger — mit Unterstützung der Sopranistin und von Bariton Sebastian Klein —, als sie Assoziationen an die verstrahlte Stadt Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe wecken. Eine gespenstische Atmosphäre lassen sie entstehen.

Das Horrorszenario der Texte führt zum letzten Gesang „Besser ist Frieden“. Zunächst bleibt es beim Marschrhythmus und einem anschwellendem Klangvolumen, das den Frieden nicht unbedingt symbolisiert. Erst der A-capella-Vortrag des Chors „Gott wird abwischen alle Tränen“ führt zu einem friedlichen Klang. Stille, Augenblicke des Nachdenkens und Wirken lassens folgen, bevor das Publikum mit stehendem Applaus seine Anerkennung für eine großartige Leistung aller Beteiligten ausdrückt.

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