Theater: Gretel wird zur sexy Hexe

Laut, rasant, nachdenklich und witzig ging es bei der Premiere von „H&G“ zu.

Krefeld. Zwei Jungs hangeln sich durch die Theaterdeko und lachen hämisch: "Ihr seid so asi, ihr Penner, schlaft ihr in einem Bett? Das ist ja wie beim Fritzl." Bei der modernen Interpretation von "Hänsel und Gretel" im Kresch-Theater geht es anfangs um die Verwahrlosung von Kindern, die Scham gegenüber Gleichaltrigen, die Hänseleien und Demütigungen.

Schreie und Stille wechseln sich ab, das Stadtjugendtheater unter Leitung von Martina Scheller und René Linke ist bei der Premiere von "H&G" laut - und zwar richtig. Die Schauspieler zeigen, was Hunger mit dem Menschen macht. Sie werden ohnmächtig oder schreien und toben, um Hyperaktivität zu zeigen.

Nicht nur die Lautstärke wechselt rasant, auch die Stimmung. Mal ernst, mal böse, meistens witzig. Es wird deutlich, dass die Jugendlichen auf ihre lockere Art eine Botschaft rüberbringen wollen. In Sprechchören schreien sie das Publikum an: "Könnten Sie das ertragen?"

Nachdem sich die Geschwister im Wald verlaufen haben, sind Pubertät und Rollenfindung ein Thema. Es gibt viele Greteln und nur zwei Hänsel, die komplett überfordert sind mit der Pubertät der Schwester. "Hänsel, ich blute manchmal", heißt es. Und Hänsel antwortet: "Du bist so ungeschickt, kleb’ ein Pflaster drauf."

Dann sind die Greteln plötzlich erwachsen, verbitterte Hausfrauen mit geblümten Schürzen und Schwangerschaftsstreifen oder ehebrecherische Hexen mit feuerroten Schürzen: "Männer sagen zu mir: Das würde meine Frau nie tun, bald verlass’ ich sie", schreien sie. "Ich bin keine Ehefrau, ich bin eine Affäre, ich werde meine Figur nicht für Kinder ruinieren." In Zeitlupe bringen die braven Greteln die Hexen schließlich um.

Die geballte Energie, der Witz und die Authentizität der Jugendlichen machen das Stück zu einem Erlebnis. Nerven werden allerdings benötigt, wenn plötzlich ein gellender Schrei ertönt oder die bösen Greteln ohne Vorwarnung ins Publikum gehen und sich lasziv auf den Schoß männlicher Zuschauer setzen.

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