Theater: Die Mutter, die Tochter und die Liebe zur Musik

Janet Bartolova singt seit 16 Jahren am hiesigen Theater. Nun ist auch ihre Tochter Lilia Tripodi ein Teil des Ensembles.

Krefeld. Es war eine Art spätes Déjà-vu mit Wow-Effekt: Als sich die beiden Sängerinnen Janet Bartolova und Lilia Tripodi nach dem Neujahrskonzert im Januar vor ihrem begeistert applaudierenden Publikum verbeugten, machten sie dabei gedanklich auch eine Reise zurück in die Vergangenheit. „Es war wie ein Traum, wir hatten beide regelrecht Gänsehaut“, erinnert sich Janet Bartolova. Und Lilia Tripodi erklärt, warum: „Als ich drei Jahre alt war, haben wir das bereits gemeinsam vor imaginären Zuschauern geübt.“

Die beiden Sängerinnen sind nicht etwa seit Kindesbeinen beste Freundinnen, sondern Mutter und Tochter — und seit dieser Spielzeit auch Kolleginnen. Sopranistin Bartolova ist seit 16 Jahren am Gemeinschaftstheater engagiert, und so kennt Tripodi viele ihrer neuen Kollegen bereits seit langer Zeit. „Einige von ihnen haben mich schon in der Pubertät erlebt“, sagt sie lachend. „Früher habe ich manchmal kleine Rollen als Statistin übernommen, und jetzt bin ich eine von ihnen.“

Ein Weg, der beinahe vorgezeichnet schien: Die Musik war nämlich immer ein großer Teil von Tripodis Leben. „Sie war immer da“, erinnert sie sich. Ihr Vater, Ognian Ratchkov, war früher ebenfalls Sänger. Jetzt ist er Inspizient am hiesigen Theater und kontrolliert während der Vorstellungen hinter den Kulissen, dass alles glatt läuft. „Entweder liebt man diese ständige Präsenz singender Menschen, oder man hasst sie. Ein Dazwischen gibt es nicht“, sagt Tripodi.

Bereits als kleines Mädchen wusste sie, dass sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten wollte. „Meine Eltern haben sich eigentlich gewünscht, dass sich das wieder rauswächst“, erzählt die junge Mezzosopranistin. Denn das Leben einer Opernsängerin ist nicht immer einfach. „Dieser Beruf ist wunderschön, aber er ist von einer großen Unsicherheit geprägt“, sagt Janet Bartolova.

Wegen der wechselnden Engagements ihrer Eltern musste Lilia Tripodi als Kind siebenmal die Schule wechseln. Sie ist in Bulgarien geboren, hat in Italien, Österreich, der Schweiz und mehreren deutschen Städten gewohnt. „Man lernt durch diese Erfahrung fürs Leben“, findet sie. „Aber es ist auch schmerzhaft.“

Ihre Mutter ist Tripodis großes Vorbild — und das nicht nur in musikalischen Belangen. „Vor allem bewundere ich, wie sie das alles mit der Familie geregelt hat“, sagt sie. „Wir hatten immer einen ganz normalen Alltag, haben viel zusammen unternommen.“

Janet Bartolova lächelt und winkt ab: „Man braucht dafür nur ein einigermaßen gutes Organisationstalent und die Fähigkeit, Berufs- und Privatsphäre gedanklich voneinander zu trennen. Wenn ich mir Zeit für meine Kinder genommen habe, dann war ich hundertprozentig Mutter. Wenn ich geprobt habe, war ich voll darauf konzentriert.“

Ein Spagat, den nicht alle Sängerinnen schaffen. Lilia Tripodi erinnert sich: „Anfangs war das sehr krass. Mama war lange die einzige im Ensemble mit zwei Kindern.“ Die Kolleginnen verzichteten meist auf das Familienglück, weil sie es als unvereinbar mit ihrer Karriere empfanden. Die vielen Proben, die späten Auftritte, die häufigen Wohnortwechsel. „Dabei bin ich der lebende Beweis, dass das nicht so unmöglich ist, wie es scheinen mag“, sagt Tripodi lachend.

Sie selbst ist mittlerweile auch Mama. „So sehr ich meinen Beruf liebe, auf Kinder hätte ich nie verzichtet“, sagt sie. „Das wäre ein zu großes Opfer gewesen.“ Und wer weiß — die kleinen Zwillinge, ein Mädchen und ein Junge, sind vielleicht sogar die Opernstars von morgen.

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