Sinfoniker mit spanischem Temperament

Beim Neujahrskonzert der Niederrheinischen Sinfoniker folgt auf den Walzer im Dreivierteltakt rassiger Flamenco-Tanz.

Sinfoniker mit spanischem Temperament
Foto: Mark Mocnik

Getragen und behutsam beginnt das Neujahrskonzert mit der Ouvertüre zu „Dichter und Bauer“ von Franz von Suppé (1819-1895). Ein kleines Cellosolo mit Harfenbegleitung stimmt auf die musikalische Reise ein, doch dann wird es schwungvoller und endet im Dreivierteltakt, dem „Leittakt“ eines Neujahrskonzert. Generalintendant Michael Grosse übernimmt die Moderation und regt zum Philosophieren an — was ein neues Jahr denn ausmachen würde. Sein Fazit: „Ob ein Jahr neu wird, liegt nicht am Kalender, sondern es liegt an uns.“

Dann dankt er den Niederrheinischen Sinfonikern und ihrem Dirigenten Mihkel Kütson für ihren Einsatz in den letzten Tagen. Passend zum „ewigen“ Motto des Neujahrskonzerts, den Neujahrsgrüßen aus aller Welt, startet man höchst passend mit der schnellen Polka „Auf Ferienreisen“ von Josef Strauß (1827-1870). Beschwingt geht es auf Reisen und dies unverkennbar mit der Postkutsche. Das erste Reiseziel ist ein klassisches seit der Grand Tour. Italien, das Land „Wo die Zitronen blühen“, in dem man auch den Dreivierteltakt liebt. Doch das Orchester darf hier eher schwärmerisch und verträumter unterwegs sein.

Es folgt ein großer Sprung nach Westen auf die Iberische Halbinsel in die Welt des Flamenco. Grosse ist bestens vorbereitet und kann neben einem kleinen Abriss der Geschichte dieses Tanzes auch erzählen, dass Flamenco seit 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco gehört. Eine elegante Überleitung zum Einsatz der Flamencotänzerin Úrsula López, die in der Welt des Flamenco wie des klassischen Balletts zu Hause ist. Ihr erster Tanz zu Musik von Manuel de Falla (1876-1946) „El sombrero de tres picos“ (Der Dreispitz) zeigt dies in eindrucksvoller Weise. Ihre Bewegungen, die viele Emotionen auf die Bühne bringen, zeigen eine perfekte Symbiose aus den beiden Tanzformen.

Die Suite Nr. 2 aus dem Dreispitz tanzt sie in einem typischen spanischen Kleid mit langem Rock mit Schleppe, der durch die vielen Volants eine wahre Stoffmasse darstellt. In den Händen hält sie ein großes Schultertuch mit langen Seidenfransen. Es ist bewundernswert, wie sie mit der Stofffülle gerade um den Unterkörper und die Beine herum den Flamenco zu tanzen versteht und die Stoffe fast wie einen Tanzpartner in ihre Bewegungen mit einbezieht. Vor allem die Choreographie des Tuches ist vielfältig und ausdrucksstark.

Dann folgt ein Tanz a cappella — ohne Orchesterbegleitung. Der Klang ihrer teils stampfenden Schritte gibt nicht nur den Rhythmus, sondern durch die Variationen im Auftreten auch Ansätze einer Melodie wieder. Es ist ein herausragender Auftritt, der das Publikum begeistert und fast schon spanisch temperamentvoll klatschen lässt.

Die zweite Hälfte des Neujahrskonzerts ist den diversen Herren der Strauß-Dynastie gewidmet. Damit steht wieder der Dreivierteltakt des Walzers im Vordergrund, unterhaltsam abgewechselt durch den Viervierteltakt des Marschs sowie den flotten Zweivierteltakt einer Polka. Stilecht für eine musikalische Reise geht es mit schnellen Polkaklängen „Mit Extrapost“ von Eduard Strauß (1835-1916) in die Ferne. „Aus der Ferne“ heißt die nachfolgende Polka von Josef Strauß.

Unverkennbar wienerisch endet das Programm eines spritzig spielenden Orchesters. Alle Leidenschaft, die in einen Walzer passt, holen sie aus dem „Wiener Blut“ von Johann Strauß Sohn heraus. Zwei Zugaben folgen. Dann darf das Publikum wieder mitwirken — in der Klatsch-Rolle im Radetzky-Marsch.

“ Das 4. Sinfoniekonzert, am 23. und 27. Februar, bietet Werke von Williams, Bernstein und Strauss. Als Solistin ist die Geigerin Elina Vähälä zu Gast. Karten sind an der Theaterkasse, am Konzerttag an der Abendkasse, erhältlich: Tel. 80 51 25, www.theater-kr-mg.de.

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