Sinfoniekonzert: Ein Gastdirigent mit Zauberstab

Solistin Tai Murray und die Niederrheinischen Sinfoniker bringen eine Sternstunde in das Seidenweberhaus.

Sinfoniekonzert: Ein Gastdirigent mit Zauberstab
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Sollte man von einem Sinfoniekonzert im Januar bereits vom „Ereignis des Jahres“ sprechen? Das vierte Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker am vergangenen Freitag im Seidenweberhaus wirft genau diese Frage auf.

Denn das schönste Violinkonzert der klassischen Musikliteratur, das Opus 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy, in einer faszinierenden Interpretation der jungen Afro-Amerikanerin Tai Murray auf einer Violine, die Giovanni Tononi 1686 gebaut hat — das wird man in Krefeld nur noch einmal im Wiederholungskonzert am Dienstag hören und davon lange Zeit zehren müssen.

Vom Mendelssohnschen Violinkonzert kennt man jeden Ton und zig Interpretationen, doch wenn Tai Murray den ersten Satz, das Allegro molto appassionato — „leidenschaftlich“ — beginnt, hört man etwas Neues. Gehaucht, fein ziseliert, aber trotzdem emotional und ausdrucksstark ist das Spiel auf ihrer Geige.

Der besondere Klang eines historischen Instruments unterstreicht dies noch: Er löst erst ein Erstaunen und eine leichte Gänsehaut aus — und dann kann man sich nur noch der eleganten Leichtigkeit hingeben, mit der die junge Frau den Mendelssohn präsentiert. Das Andante wird zu einer Kur für die Seele, und der dritte Satz, ein Allegro molto vivace, lässt hören, wie Virtuosität und zarte Leichtigkeit mit Energie beladen klingen.

Die Niederrheinischen Sinfoniker sind ein ebenbürtiger Partner in diesem Spiel; der Gastdirigent des Abends, Nicholas Milton, führt — neben Murray mit ihrem Geigenbogen — mit seinem Taktstock einen zweiten „Zauberstab“. Bravo-Rufe, begeisterter Applaus auch vom Orchester für Solistin und Dirigenten entlassen das Publikum im sehr gut gefüllten Saal in die Pause.

Mit Edward Elgars Enigma-Variationen erwartet die Zuhörer ein weiterer Höhepunkt. Die musikalischen Porträts, die der englische Komponist in diesem Werk gibt, lassen eine recht sympathische Gesellschaft aus seinem Bekanntenkreis lebendig werden. Klangbilder, feine Skizzen zeigen Eigenarten der Porträtierten inklusive der im Wasser strampelnden Bulldogge eines Organisten.

Zum langanhaltenden Applaus des Publikums kam das anerkennend trampelnde Orchester hinzu. Diese Begeisterung im Saal wurde durch die Zugabe von Elgars berühmtestem Werk „Pomp and Circumstance“ noch gesteigert. Jetzt waren die stehenden Ovationen fällig.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Konzert nicht gleich mit den Höhepunkten begann; als Vorbereitung auf die außergewöhnlichen Musikgenüsse gab es die Ouvertüre zur Oper Euryanthe von Carl Maria von Weber.

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