Ruff-Meisterschüler in Setareh-Galerie Sebastian Riemer: Fotos durch Kunstgriff verfremdet

Ruff-Meisterschüler Sebastian Riemer stellt in der Setareh-Galerie aus.

Düsseldorf. In der Setareh-Galerie grüßt ein Pärchen, wie man es sich im Biedermeier vorstellen kann. Beide sind dunkel gekleidet und sitzen brav nebeneinander. Er trägt zum dunklen Habit eine rote Schleife, sie ein weißes Krägelchen. Was irritiert, sind die Craquelees, die ihre Gesichter zersplittern. Ausgangspunkt des Großformats war eine Blechfotografie, also ein mit Kollodium lackiertes Eisenblech. Fotokünstler Sebastian Riemer entdeckte die belichtete Scheibe aus dem 19. Jahrhundert in Amerika, jagte sie in Düsseldorf durch einen hochauflösenden Scanner und erlebte sein Wunder.

Die Bräune im Gesicht des Pärchens stellte sich als Retusche heraus, die zugleich die Risse im Bild verursachte. Eigentlich handelte es sich um zwei Aufnahmen, die zusammengebaut wurden, wobei die Schultern korrigiert wurden, damit das Pärchen auch tatsächlich in trauter Zweisamkeit auftaucht. In Riemers technischer Aufbereitung wirkt die Fotografie fast dreidimensional.

Der Meisterschüler von Thomas Ruff ist so wissbegierig wie sein ehemaliger Lehrer. Permanent sucht er nach neuen Dingen. Bei Setareh machte er vor einigen Jahren seinen Einstand mit dem weißen Quadrat des Malewitsch, das er vor dem Original in Moskau fotografiert und anschließend eingescannt hatte. Das verblüffende Ergebnis war ein farbiges Bild, denn Weiß ist niemals Weiß, sondern die Summe der Farben. Nun geht er noch einen Schritt weiter.

2015 fotografierte er mit dem Handy einen weißen Monitor. Nichts als Weiß. Die Handy-Kamera hat jedoch ein Raster, und das Monitor-Bild hat es auch. Überlagern sich beide Raster, so ergibt die Interferenz ein Farbmuster. Eher zufällig fiel ihm anschließend das Handy herunter und zerbrach.

Die zersplitterte Oberfläche fotografierte er mit seiner hochempfindlichen Digitalkamera. Das Ergebnis erinnert an Moiré-Stoffe, bei denen es an einigen Stellen aufblitzt. Ein Moiré von einem Moiré ist es, und zugleich zeigen sich die Risse vom Handy wie lauter kleine Prismen. Das Format des Handys brauchte Riemer nur noch auf Türgröße zu bringen, um ein faszinierendes Ergebnis zu erzielen.

Das wird ihm genauso bei einer Venus passieren, die aus dem Wasser steigt. Nur liegt das Wasser nicht in der Toscana wie bei Botticelli, sondern wirkt wie Algenschlamm. Die Figur erscheint halb zerstört. Tatsächlich hat Riemer verschimmelte Dias im Keller eines Zeitungsarchivs gefunden. Die Schimmelsporen haben die Gelatine-Schicht des Dias zerfressen. Der Schimmel setzt biologische Wesen frei, die nun wie eine Ameisenkolonie die aus dem Wasser steigende Frau begleiten. Die Arbeit an der Wand ist die Fotografie des Schimmelpanoramas, wobei das Ursprungsdia verschwindend klein war.

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