Schlussapplaus: Vera Ring – Abschied mit Tatendrang und Traurigkeit

Chefdramaturgin Vera Ring wechselt mit dem Ende dieser Spielzeit nach Essen.

Krefeld. In letzter Zeit hätte es eigentlich zwei Vera Rings gebraucht. Eine, die am Grillo-Theater in Essen als künftige Chefdramaturgin an einer mutigen ersten Spielzeit feilt, Stücke studiert, Projekte ins Rollen bringt, das Haus und die neuen Kollegen kennenlernt. Und eine, die in Krefeld ihren Job erledigt und ihre letzte Saison so engagiert mitgestaltet, wie Intendant und Publikum es seit sieben Jahren von ihr gewohnt sind. Irgendwie hat die eine Vera Ring doch beides geschafft: "Ich kann gar nicht fassen, dass all das in einem Jahr passiert ist", sagt sie.

"Ein bisschen erstarrt" sei sie gewesen, erzählt Ring, als klar war, dass sie mit dem neuen Intendanten Christian Tombeil nach Essen geht. Nicht aus Angst, dazu ist sie zu lange dabei, vielleicht eher aus Respekt vor tausend neuen Möglichkeiten und ebenso vielen Aufgaben, die sich vor ihr türmten. Hinzu kam, dass nichts sie aus Krefeld wegtrieb. "Ich hatte immer noch das Gefühl, vieles lernen zu können. Das ist das Haus, in dem ich als Kind meine ersten Theater-Erfahrungen gesammelt habe. Es ist für mich etwas Besonderes, nicht nur eine Station."

Ring stammt aus Schiefbahn, abgesehen vom Studium in Düsseldorf und dem ersten Job in Wilhelmshaven hat sie am Niederrhein gewohnt. Die 35-Jährige ist ein Familienmensch, verbringt gern Zeit mit ihren Eltern, die beide Lehrer waren, und den drei Schwestern. Rings Mutter ist in Riga geboren, und ihre Tochter hat mit den Jahren eine Faszination für Lettland entwickelt. "Die Geschichten, die meine Oma erzählt hat, handeln davon. Wenn ich Zeit hätte, würde ich gerne Ahnenforschung betreiben."

Den Dingen auf den Grund zu gehen, mehr wissen zu wollen, als sich auf den ersten Blick erschließt, das zeichnet eine gute Dramaturgin aus. Wie viele in ihrem Fach, wollte Ring am Anfang Schauspielerin werden: "Aber ich glaube, mir hätte der Blick auf das große Ganze gefehlt."

Mit diesem Blick hat sie die letzten Jahre der Intendanz Pesel mit geprägt, war beteiligt an Erfolgen wie "Shockheaded Peter" oder "Amadeus", traute sich aber auch das Ungewöhnliche, Sperrige zu, zuletzt "Experiment" oder "Yvonne, die Burgunderprinzessin". Bei 16 000 Krefelder Kindern bleibt sie durch ihre Fassung von "Hinter verzauberten Fenstern" in bester Erinnerung.

Den ersten direkten Kontakt zum Theater hatte Ring als Schülerin bei den Schlossfestspielen in Neersen. Dort hat sie Karten abgerissen und Praktikantenjobs erledigt, doch während der Aufführungen konnte sie den Blick kaum von der Bühne abwenden. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Statt Jura in Bielefeld studierte Ring also in Düsseldorf Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften, immer mit dem Ziel, ans Theater zu gehen.

Mit 26 Jahren wurde sie Chefdramaturgin in Wilhelmshaven. "Die typische Tellerwäschergeschichte", erzählt sie mit der ihr eigenen Selbstironie. "Außer, dass sie leider nicht mit Millionen endet." Heute fühlt Ring sich reifer, selbstbewusster, sicherer: "Als Dramaturgin ist es gut, älter zu werden. Das eigene Repertoire wird größer, und der Respekt der Regisseure auch."

"Theater ist Handwerk, aber auch viel Idealismus."

Vera Ring, Dramaturgin

Gäbe es zwei Vera Rings, wäre die eine traurig, weil sie Krefeld verlassen muss, die andere voller Tatendrang. Wenn sie über ihre Pläne spricht, strahlt sie beides aus. "Theater ist Handwerk, aber auch viel Idealismus. Man arbeitet mit Leuten, die ihren Beruf lieben." Ans Theater, sagt sie, zieht es Menschen, denen jeden Tag wichtig ist, was sie tun. Klingt ganz nach Vera Ring.

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