Schlaglichter der Sammlung: Verwischte Erinnerung

Gerhard Richter gilt als teuerster lebender Künstler. Die Krefelder Museen besitzen sein Frühwerk „Krankenschwestern“.

Krefeld. Seinen Namen kennen selbst Menschen, die sonst einen großen Bogen um jedes Museum machen. Denn Gerhard Richter ist ein Star der internationalen Kunstszene, seine Werke erzielen Rekordpreise, seine Ausstellungen ziehen Massen an. Alleine die Neue Nationalgalerie in Berlin zählte 2012 während der Schau „Panorama“ zum 80. Geburtstag des gebürtigen Dresdeners mehr als 380 000 Besucher.

Richter gilt als teuerster lebender Künstler, jedes seiner Werke ist ein Schatz — und das Gemälde der „Krankenschwestern“ aus der Sammlung der Krefelder Kunstmuseen ist ein besonderer. Es ist 1965 entstanden und markiert den Anfang seiner Karriere, die nach der Flucht aus der DDR vier Jahre zuvor bald ins Rollen kam.

„Gerhard Richter arbeitete in dieser Zeit vor allem nach Fotografien“, sagt Thomas Janzen von den Kunstmuseen. „Er übertrug sie auf Leinwand und verwischte dann die Ölfarbe, eine Technik, die typisch für ihn ist.“ Er nutzte sie später für den Historienzyklus „18. Oktober 1977“ über die Selbstmorde der RAF-Terroristen in Stammheim, der erstmals im Haus Esters zu sehen war.

In Richters „Atlas“ ist die originale Schwarz-Weiß-Aufnahme der Krankenschwester-Gruppe bereits auf der zweiten Tafel zu finden, inmitten der Familienfotos. In dieser monumentalen Inspirations-Enzyklopädie hat der Künstler seit den 1960er-Jahren rund 15 000 Fotografien, Zeitungsausschnitte, Skizzen und andere Vorlagen gesammelt.

Vor allem private Aufnahmen ebneten dem Mitbegründer des Kapitalistischen Realismus’ anfangs den Weg in die jüngste Vergangenheit, in den Alltag während der NS-Diktatur und das frühe Nachkriegsdeutschland. Jugendweihen, Feiern, Einschulungen, Urlaube — die Motive sind oft trivial und alles andere als einzigartig. Und genau deshalb sind sie repräsentativ für eine ganze Generation.

„Gerhard Richters frühe Gemälde nehmen den Betrachter mit auf Zeitreise“, sagt Janzen. „Die Details sind verwischt, kaum zu entschlüsseln, doch die Atmosphäre ist sofort greifbar.“

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