Interview Schauspielerin Antje Mönning bezeichnet sich als Exhibitionistin

Schauspielerin und Produzentin Antje Mönning erklärt im Gespräch, warum ihr neuer Film "Der Geschmack von Leben" nicht sexistisch ist.

Interview: Schauspielerin Antje Mönning bezeichnet sich als Exhibitionistin
Foto: wtp

Zur Sache, Schätzchen! Der gleichnamige Film wurde rasch Kult, nach dem Release 1968, und sein schnoddriger Jargon prägte den Sprachcode der rebellischen Roaring Sixties und Seventies. Und jetzt, ein halbes Jahrhundert später, geht es wieder heftig zur Sache in ausgewählten Lichtspielhäusern der Republik, aber mittlerweile dermaßen hemmungslos, dass die netten Frechheiten, die Schätzchen-Regisseurin May Spils einst berühmt machten, im Vergleich dazu heute fast niedlich wirken. Denn die jüngste Kreation des selbst ernannten Kino-Schrecks Roland Reber überschreitet ungeniert alle Linien, die bisher das Erotikgenre vom platten Porno abgegrenzt haben.

Den entsprechenden Handlungsrahmen bieten unter dem Titel „Der Geschmack von Leben“ mal muntere und mal absonderliche Recherchetrips, zu denen eine Video-Bloggerin namens Nikki (gespielt von Antje Mönning) per Landrover in die deutsche Provinz aufbricht, um Menschen vor der Kamera über Wünsche, Ängste und Obsessionen reden zu lassen. Zu ihrer kontroversen Rolle stellt sich Hauptdarstellerin Antje Mönning, die als Co-Autorin das Drehbuch maßgeblich geprägt hat, den Fragen des Autors René Gralla.

Die von Ihnen verkörperte Video-Bloggerin Nikki lässt den Zuschauer an sexuellen Handlungen teilhaben. Und das vor dem Hintergrund der Kontroverse über Sexismus: Ist Ihr Film nicht das falsche Ding zur falschen Zeit?

Antje Mönning: Wir haben das Drehbuch geschrieben und produziert, noch bevor die #MeToo-Debatte gestartet ist. Unabhängig davon halte ich unser Werk für absolut zeitlos. Der Staat greift immer weiter in das Leben der Bürger ein, denken Sie an die zunehmende Videoüberwachung. Um so wichtiger ist mir, dass ich als Künstlerin die Befreiung von gesellschaftlichen Konventionen thematisiere. Meine Protagonistin Nikki ist ein sehr lustvoller Mensch. Für sie gehört Sexualität zum Leben wie Essen und Trinken.

In den einschlägigen Sequenzen präsentiert sich Ihre Hauptperson aber offensichtlich als Sexobjekt.

Mönning: Ganz im Gegenteil, Nikki ist nie unterwürfig. Denn sie allein bestimmt, wann sie aktiv wird. Und folgerichtig lässt sie an einer Stelle buchstäblich einen Mann im Walde stehen. Weil der sie mit seinem Gerede nervt.

Ist das nicht eine bloße Behauptung, dieses angebliche Selbstbewusstsein der besagten Frau? Während Sie in Wahrheit rückwärtsgewandte Klischees bedienen?

Mönning: Das Rollenbild, das ich mit Nikki zeichne, ist weder rückwärtsgewandt noch progressiv. Ich wollte schlicht die Stärke zeigen, die darin liegt, seine persönlichen Leidenschaften zu erkennen und ohne schlechtes Gewissen zu bejahen.

Soll der Zuschauer den Film womöglich als bewusste Überspitzung begreifen?

Mönning: In der Rolle der Nikki breche ich klassische Klischees auf. Nach der gängigen Meinung sind es die Männer, die jederzeit und überall Sex wollen, vorzugsweise als Quickie. Die Realität sieht aber anders aus: Auch viele Frauen haben ihren Spaß an unverbindlichen Begegnungen.

Wieviel von der echten Antje Mönning steckt in der Frau, die Sie spielen?

Mönning: So wie Nikki betrachte ich Sexualität und Nacktheit als etwas ganz Natürliches. Und so wie Nikki habe ich mich freigemacht von jeglichem Konformitätsdruck. Ich bin Exhibitionistin, was ich in meinen Filmen auslebe.

Hat der Anti-Sexismus-Diskurs vielleicht schon den Höhepunkt seiner Wirkungsmacht überschritten?

Mönning: Zwar habe ich „Red Sparrow“ noch nicht gesehen, aber ich habe zum angesprochenen Thema ein Interview mit Jennifer Lawrence gelesen. Das hat mir in weiten Teilen gut gefallen: Sie plädiert für ihr Recht auf Nacktheit. Ich weiß nicht, ob das in unseren moralindurchtränkten und aufgeregten Zeiten eine Trendwende markiert, aber ich bin froh, dass wir langsam auch Stimmen zu hören kriegen, die sich nicht in Schubladen pressen lassen wollen, sondern stattdessen für ihren Anspruch auf eine individuelle Lebensgestaltung kämpfen. Zumal ich bereits vor acht Jahren — damals kam mein Film „Engel mit schmutzigen Flügeln“ in die Kinos, und ich habe die Produktion anschließend auf einer langen Tour durch die Republik begleitet — feststellen musste, dass ausgerechnet junge Menschen immer verklemmter und angepasster werden, und leider ist das bis heute nicht besser geworden.

Setzt Ihr „Geschmack von Leben“ dort an, wo „Zur Sache, Schätzchen“ 1968 aufgehört hat? Der Kultfilm der Regisseurin May Spils hat vor einem halben Jahrhundert die Spießer schockiert, und Sie wagen in der Gegenwart einen noch krasseren Tabubruch, spielen nun sogar mit pornografischen Elementen.

Mönning: Die 68er haben durch Hinterfragen und Aufbrechen von verkrusteten Strukturen den Weg geebnet für viele Freiheiten, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Aber das geschah in einem allgemein politischen Kontext, während meine Filme ihren Fokus eher richten auf das Leben unterschiedlicher Menschen mit ihren jeweiligen Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten. Und mit ihren individuellen Sehnsüchten und Ängsten.

Trotzdem, Antje Mönning 2018 auf den Spuren von May Spils, dieser Vergleich drängt sich irgendwie auf . . .

Mönning: . . . nein, ich kann und will keine Vorreiterin für irgendeine Bewegung oder Richtung sein. Am Ende eines Talks, den meine Protagonistin Nikki im Film organisiert, sagt der Mann in der Runde: „Jeder sollte doch verdammt noch mal das sein, was er ist.“ Darauf antwortet Nikki: „Einfach Mensch sein.“ Und ich bin Antje, ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger.

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