Puppentheater zwischen Freiheit und Anpassung

Kreativlabor des Kresch-Theaters zeigt eine Eigenproduktion zum Thema Körper, Medien und Wirklichkeit.

Krefeld. „Das Medium ist die Massage?“ — ein ungewöhnlicher Titel. Marshall Mc Luhan ist er geläufig: Als dieser 1967 sein Sachbuch zu Medien und Botschaften herausgab, stand auf dem Buchdeckel „Massage“ statt „Message“.

Nach diesem Druckfehler ist die Produktion des 8. Kreativlabors des Kresch-Theaters benannt. Unter der Leitung von Anna Brass haben die drei jungen Regisseure Annika Förster, Elias Ordelmans und Saliha Shagasi in drei verschiedenen Stücken einen Abend über moderne Kommunikation und Wirklichkeit, Individualität und Anpassung geschaffen. Am Samstagabend war die Premiere, gestern eine weitere Aufführung.

Die Stücke tragen alle die sehr unterschiedlichen Handschriften ihrer jeweiligen Regisseure und Darsteller — und passen dennoch zusammen. Im Prinzip verläuft die Reise nach innen: von Saliha Shagasis buntem, sich mit Äußerlichkeiten und Alltäglichem auseinandersetzenden Stück; dann ein Intermezzo mit Videoinstallation von und mit Elias Ordelmans, in dem er Schein und Sein ganz simpel auf die Bühne bringt, bis hin zu der beinah wortlosen Tanztheater-Produktion von Annika Förster und der Frage, wo die Individualität endet und das Puppentheater beginnt.

Die knallig geschminkten, glitzernd-bunt gekleideten Darsteller aus der ersten Produktion stehen beim Einlass schon wie Schaufensterpuppen da. Und dann hauen sie auf die Pauke. In schnellen Dialogen, wilden Tänzen und choreographischen Abläufen zerren sie ihre „Generation Facebook“ auf die Bühne und nehmen sie auseinander.

Verkleidung und Selbstdarstellung werden durch das immer wiederkehrende Motiv von „Des Kaisers neue Kleider“ klug aufgegriffen. Bis auf die große Leinwand, auf der die ungeschminkten Darsteller gezeigt werden, ist die Bühne völlig nackt, ohne Requisiten. Nur ein Mischpult, ein Saxophon und eine Ukulele stehen da. Einer der Darsteller liefert damit die gesamte musikalische Untermalung.

Die Übergänge zwischen den verschiedenen Stücken sind entweder fließend oder werden charmant-verlegen und urkomisch von einer Schauspielerin durchmoderiert. Als Elias Ordelmans von der Decke fällt und sich auf die Bühne legt, braucht man einen Moment, um zu verstehen, dass der junge Mann, der dann auf der Leinwand zu sehen ist, er selbst in diesem Moment ist. Von oben gefilmt sieht es auf der Leinwand so aus, als würde das, was Ordelmans in dem Moment in der Waagerechten tut, in der Senkrechten geschehen.

Für die letzte Produktion wird die Bühne erweitert: Annika Förster liest einen Textauszug von Heinrich von Kleist zum Marionettentheater. Dann fallen nach und nach zwölf maskierte, puristisch gekleidete Darsteller von einem Fließband, völlig schlapp und leblos. Mit dem Aufblasen von Luftballons wird auch ihnen Leben eingehaucht. und es beginnt ein wortloses, anrührendes, leidenschaftliches und technisch sehr gutes Tanztheater, das das Motiv der Maskierung und der Fremdbestimmung immer wieder aufgreift. Der Abend entlässt einen mit vielen Eindrücken und Gedankenanstößen.

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