Olga Scheps — der Star am Flügel beim ersten Sinfoniekonzert

Das Publikum hat sich für die Eröffnung der Spielzeit Tschaikowsky gewünscht. Kütsons Wahl fiel auf die junge russische Pianistin.

Krefeld. Tschaikowsky hat die Wahl gewonnen. Das Publikum durfte das Programm des Eröffnungskonzerts der neuen Saison mitbestimmen und konnte sich bis zum 6. Juni zwischen drei Klavierkonzerten Nr. 1 entscheiden: demjenigen von Liszt, Mendelssohn Bartholdy oder Tschaikowsky. Eine exzellente Wahl mit der Solistin an den Tasten hat Generalmusikdirektor Mihkel Kütson selber getroffen, doch Olga Scheps hätte eine Volksabstimmung genauso gewonnen. Schließlich ist die junge russische Pianistin auch dem Krefelder Publikum keine Unbekannte mehr.

Peter Tschaikowskys (1840-1893) Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll, eines der bekanntesten Werke der klassischen Musikliteratur, wird unter ihren Fingern zu einem neuen Hörerlebnis. Da hört man beispielsweise das Allegro con spirito mit einer Portion Witz in aller Leichtigkeit ihres Spiels. Dann erklingen Passagen voller Gefühl, feinstens dosiert. Ihre perlenden Läufe, das Plätschern der Arpeggien lassen Variationen eines Spiels von großer Zartheit erleben.

Ihre Virtuosität erklingt mit scheinbarer Leichtigkeit und steht ganz im Kontrast zu der akrobatischen Handarbeit, die man auf den Tasten beobachten kann. Atemberaubende Tempi, wie man sie nicht alle Tage hört und trotzdem entwickelt sie in jedem Tempo, jeder Lautstärke und bei jeder Tonmenge wunderbare Spannungsbögen in ihren Interpretationen — es ist ein in jedem Augenblick fesselndes Spiel, das sie dem Publikum im Seidenweberhaus bietet.

Die Niederrheinischen Sinfoniker unter ihrem Dirigenten Kütson stellen ebenbürtige Partner dar, die zu einem Hörgenuss zwischen majestätischen Allegro, einfachem Andantino und einem Allegro „mit Feuer“ ihren Teil beitragen. Für den lang anhaltenden Applaus bedankt sich die Pianistin mit einer fetzigen, jazzig angehauchten Zugabe, dem Finale aus der Sonate Nr. 7 von Sergej Prokofjev. Sie zeigt dabei eine unbeschwerte Spielfreude und lässt den Eindruck entstehen, als ob hier vierhändig gespielt würde.

Das Klavierkonzert wurde in einen böhmischen Rahmen eingebettet oder man könnte auch sagen, von Werken aus einem musikalischen Familienbetrieb begleitet. Der hierzulande wenig bekannte tschechische Komponist Josef Suk (1874-1935), der noch — völlig zu Unrecht, wie Eva Ziegelhöfer in ihrer Konzerteinführung erläuterte — am bekanntesten als Schwiegersohn von Antonin Dvorak ist. Fröhlich hüpfende Klänge und Walzer schwelgen in sehr kurzweiligen Variationen, manches mit Ohrwurm-Potenzial steckt in dem Werk Fantastické Scherzo op. 25 Allegro vivace.

Im zweiten Teil kommt Suks Schwiegervater an die Reihe mit seiner Sinfonie Nr. 8 in G-Dur op. 88. Hier nutzt das Orchester wieder die Gelegenheit, bei dem recht unkonventionellen Werk voller „Regelwidrigkeiten“ alle Register zu ziehen und sich als ein sehr homogener Klangkörper in allen Herausforderungen zu präsentieren. Ein gelungener Auftakt in die neue Konzertsaison, die so manchen weiteren Hörgenuss durch Interpreten von Weltklasse vorsieht, wie schon gleich beim 2. Sinfoniekonzert Ende Oktober mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer.

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