Mit einem Zeitzeugen „Erinnerung lernen“

Herbert Rubinstein, dessen Kindheit vom Holocaust in der Ukraine geprägt war, kommt zur Ausstellung in die Villa Merländer.

Mit einem Zeitzeugen „Erinnerung lernen“
Foto: Andreas Bischof

Geschichte erfahrbar und Erinnerung erlernbar machen, dazu lädt eine neue Ausstellung in der Villa Merländer ein. Die Sonderausstellung wurde unter anderem von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus (SABRA Düsseldorf) sowie mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes erstellt. Die Exponate in Form von großen Text- und Bildtafeln behandeln die grausamen Auswirkungen des Holocausts in der Ukraine.

In ihrer Eröffnungsrede betont Bürgermeisterin Gisela Klaer, wie wichtig diese Art der verbindenden Erinnerung in Form von transnationaler Kulturarbeit sei.

Die Leiterin der NS-Dokumentationsstelle in der Villa Merländer, Sandra Franz, sagt: „Es setzt ein starkes Zeichen, dass wir diese Ausstellung gleichzeitig in der Täter- sowie der Opfernation zeigen.“ Nur so könne Aussöhnung funktionieren. Der Kurator der Ausstellung, Matthias Richter, der für die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf tätig ist, ist bei der Eröffnung per Skype zugeschaltet. Er nimmt zeitgleich an der Ausstellungseröffnung in Kremenets in der Ukraine teil: „Wir sind sehr stolz und hoffen, dass sich dadurch eine wunderbare Freundschaft entwickeln wird.“

„Erinnerung leben“ ist nicht nur als Partner-, sondern auch als Wanderausstellung angelegt. Begonnen haben die Aussteller in Düsseldorf, nach Krefeld soll sie in andere deutsche Städte ziehen. Nach demselben Prinzip ist die Ausstellung in der Ukraine angelegt. Die Exponate sind interaktiv gestaltet, per QR-Code sind kleine Filmausschnitte und Videos mit Zeitzeugenberichten abrufbar, die man beim Wandern durch die Ausstellung betrachten kann. Erinnerung soll hier mit allen Sinnen erfahrbar werden. „Wir wollen uns mit dem Angebot vor allem an ein junges Publikum richten“, sagt David Mursal, Projektmitarbeiter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Nach und nach versterben Zeitzeugen, es sei daher jetzt umso wichtiger, die Kommunikation über die NS-Vergangenheit anzustoßen, um die Erinnerungen am Leben zu erhalten.

Einer, dem das besonders am Herzen liegt, ist Herbert Rubinstein. Seine Geschichte ist auch in großen Teilen Inhalt der Ausstellung. Rubinstein hatte kaum Erinnerungen an seine grausamen Kindheitsjahre, die vom Holocaust in der Ukraine geprägt wurden. Er wuchs zunächst im ukrainischen Czernowitz auf, bevor er als Jude mit seiner Mutter die Zeit im Ghetto überlebte und durch gefälschte Papiere nur knapp einer Deportation entkam. Sein Weg führte ihn über Amsterdam nach Düsseldorf, wo er bis heute lebt.

Von der Aufarbeitung seiner Vergangenheit handelt der Dokumentarfilm einer ukrainischen Filmemacherin („Ich war da“), die ihn begleitete, als er das erste Mal nach 71 Jahren in seine Heimat zurückkehrte. Der Film verfolgt die Lebensstationen Rubinsteins zurück, ist in Teilen in die Ausstellung eingebettet und soll Anfang Oktober auch in der NS-Dokumentationsstelle gezeigt werden.

Rubinstein ist zur Ausstellungseröffnung in die Villa Merländer gekommen. Er steht hinter dem Projekt, da es für ihn hohe Aktualität hat: „Wir sehen hier einen Blick in die Vergangenheit, eine Aufklärung über die Gegenwart und eine Chance für die Zukunft, dass wir durch Wissen nicht in Versuchung kommen, Schlimmes zu wiederholen.“ Auch und gerade heute müsse man aufpassen, dass man selber nicht mitschuldig würde, wenn man die Augen verschließe und tatenlos zuschaue, so Rubinstein. Er spielt dabei vor allem auf den europaweiten Rechtsruck an, die Bildung neuer nationalistischer Parteien und Bewegungen. Hier sieht er alle Europäer in der Verantwortung: „Wir müssen an einem Strang ziehen und aufpassen, dass wir unsere durch viel schweißtreibende Arbeit erworbene Demokratie und Liberalität nicht aufs Spiel setzen.“

Rubinstein will vorsorgen und Erinnerungskultur vor allem an Schulen stärker verbreitet wissen. Dazu will er in Form des Films oder eines extra gestalteten Comics über die NS-Vergangenheit die Erinnerung „in die Sprache von Kindern und Jugendlichen“ übersetzen. Die Ausstellung lädt zur aktiven Geschichtserfahrung ein, damit Erinnerungen am Leben bleiben.

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