Wohnkultur Mies-Möbel verändern die Wohnkultur

Rudolf Fischer und Wolf Tegethoff stellten am „Mehr Mies Wochenende“ ihre Publikation vor.

Wohnkultur: Mies-Möbel verändern die Wohnkultur
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Zwei Wissenschaftler, denen Krefeld nicht fremd ist, kamen zum zwölften „Mehr Mies Wochenende“: Die Kunsthistoriker Professor Wolf Tegethoff und Dr. Rudolf Fischer stellten eine nagelneue Publikation zum Thema „Modern Wohnen“ vor. „Möbeldesign und Wohnkultur der Moderne“, so der Untertitel, ist Thema in dem Band mit Aufsätzen zu ganz unterschiedlichen Aspekten.

Wolf Tegethoff und Rudolf Fischer sind am Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte tätig. Dort entsteht seit 2011 unter deren Leitung das „Kommentierte Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes.“ Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Darin geht es um die Verbindung zwischen Architektur und Design in den 1920er Jahren. „Das ist ein monumentales Werk“, sagte Sylvia Martin, die stellvertretende Leiterin der Kunstmuseen Krefeld bei ihrer Einführung.

Insgesamt 19 Autoren sind an dem Sammelband beteiligt. Unter anderem der Kunsthistoriker und Stahlrohrmöbelexperte Dr. Otakar Macel von der Technischen Universität Delft und Designer Bernd Dicke von der Fachhochschule Dortmund. Beide erläuterten anhand von Original-Stahlrohrstühlen deren Konzeption und Zusammensetzung, auch an diesem Wochenende.

Mitherausgeber Rudolf Fischer freute sich über die Einladung in die Villa: „Das ist eine große Ehre für uns“, so Fischer. Es war für ihn eine Art Rückkehr: „Ich habe zu Krefeld ein sehr inniges Verhältnis“, sagte Fischer. In seiner Magisterarbeit (1998) hatte er sich mit dem Industriebau zur Zeit der Weimarer Republik befasst.

Thema in der Seidenstadt natürlich die einzigen von Mies verwirklichten Industriegebäude bei der Mies-Gebäude der Verseidag. Wolf Tegethoff war schon früher hier: Unter dem Titel „Die Villen und Landhausprojekte von Ludwig Mies van der Rohe“ in Haus Esters stellte er 1981 hier aus. In diesem Zusammenhang erinnerte er sich: „Die Möbel spielten da keine Rolle.“ Überraschung im Publikum, denn inzwischen wird das Werk des Architekten Mies van der Rohe (1886 bis 1969) immer im Zusammenhang von Innen und Außen, von Entwurf und Architektur gesehen.

Gerade bei der Entwicklung des Neuen Bauens waren Wohnen und Architektur waren stets eng verbunden. „Mies hat nie Möbel ins Blaue entworfen, sondern immer für konkrete Projekte“, so Tegethoff. Dieses gelte unter anderem für den Barcelona-Stuhl im deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1929. In diesen Zeitraum falle eine neue, grundsätzliche Überlegung: „Wie richte ich meine Wohnung ein?“, habe man sich damals gefragt, sagte Fischer. Das „Neue Wohnen“ wurde in der Presse und Zeitschriften ein wichtiges Thema.

Es kamen Wohnratgeber auf den Markt, die exemplarisch Einrichtungen und Möbelstücke wie Stahlrohrmöbel vorstellten. Ein weiterer Autor, Professor Christian Demand, hielt an diesem zwölften Mies-Wochenende einen Vortag zum Thema „Betreutes Wohnen: Von der Geburt des Designs aus dem Geist des Verdachts“. Darin befasste sich Demand mit dem literarischen Genre des Wohnratgebers und stellte dabei die Frage nach der Verschränkung von moralischer Gesinnung und ästhetischer Auffassung.

Wohnratgeber eröffneten auch eine breite Akzeptanz für das „Neue Wohnen“ in bürgerlichen Haushalten. Der Begeisterung schlug aber Anfang der 1930er Jahre jedoch Kritik entgegen. Gerade die Stahlrohrmöbel wurden als unnötiger und teurer Luxus verpönt. So kostete der Freischwingerstuhl MR 10 von Mies van der Rohe seinerzeit 54 Reichsmark: Für diese Summe konnten ebenso gut zehn herkömmliche Holzstühle erworben werden.

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