Lyriker schütteln Baldessari

Literaten aus Amsterdam haben Gedichte über die Ausstellung in Haus Lange geschrieben.

Krefeld. Von einem Eingriff zu sprechen, wäre untertrieben. Was der amerikanische Künstler John Baldessari mit Haus Lange gemacht hat, stellt die Architektur Mies van der Rohes auf den Kopf. Das kräftige Augenzwinkern des US-Künstlers, der gerade in Venedig den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhalten hat, wird über dem Eingang bildhaft sichtbar.

"Eingriff" hingegen heißt ein originelles Konzept, mit dem die niederländische Literaturwerkstatt Wintertuin Brückenschläge zwischen moderner Literatur und bildender Kunst versucht. Im Mittelpunkt steht die Begegnung mit einem Ort. Auf Initiative der Werkstatt haben die beiden in Amsterdam beheimateten Dichter Erik Lindner und Tsead Bruinja sich von der Baldessari-Ausstellung inspirieren lassen.

Das Ergebnis dieser Begegnung wurde am Dienstag bei einer kleinen Autorenlesung vor Ort vorgestellt. Sie bewies, dass bei diesem reizvollen Projekt mehr Inspiration als Interpretation im Vordergrund steht.

Auf der Terrasse vor einem der mit Backsteinfolie verdeckten Fenster beginnt Bruinja, seine Gedichte zweisprachig vorzutragen. "Hey, Blatt an den Bäumen, hey..." lautete eines der sehr melodiös und in schnellen Rhythmen vorgetragenen Werke, die auch in friesischer Sprache entstehen. Lautmalerei, eine sogartige Kurzatmigkeit kennzeichnen eine Lyrik, die aufrüttelt und nie gefällig dahinplätschert.

Bruinja hat beim Ausstellungsbesuch viele Fotos gemacht, neben Bildern ist Musik eine wichtige Inspiration für ihn. Er arbeitet spontan, aus dem Bauch heraus, eine Vorgehensweise, die der Konzeptkunst Baldessaris konträr gegenübersteht. Vielleicht gerade deshalb gibt die seiner Lyrik innewohnende Gewalttätigkeit einen Kommentar zum bunkerartigen Erscheinungsbild von Haus Lange ab.

Ganz anders ist Erik Lindner vorgegangen. Er hat sich vor allem in den Innenräumen umgesehen und sich von den großen Fotografien, die den Blick nach draußen verfälschen, inspirieren lassen. Er knüpft direkt an eine Fotografie an: die Oberfläche des Wassers, die Surfer auf den Wellen, am Ende die witzige Assoziation: "Kippt das Schwingfenster, purzelt der Betrachter in den Park." Der Sprachduktus ist ruhiger als bei Bruinja, auch lyrischer.

Beiden ist es gelungen, einen anderen Blick auf die Ausstellung zu werfen, ohne bestimmte interpretatorische Positionen zu beziehen. Ein kleiner, aufwendig gestalteter Poesiekatalog ermöglicht es dem Besucher, beim Rundgang selbst die Gedichte zu lesen. Es wäre zu wünschen, dass noch viele davon Gebrauch machen.

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