Konzert in der Michael-Kirche: Ein Genuss für die Sinne

Wie sah die Liebe in der Renaissance aus? Diese Frage beantwortet ein Konzert in der Michael-Kirche.

Konzert in der Michael-Kirche: Ein Genuss für die Sinne
Foto: Dirk Jochmann

Bockum. Ein wahrlich erfrischendes Konzert hat es in der Michael-Kirche gegeben. Im kühlen Raum der gut gefüllten Kirche bot man mediterrane Momente um Liebesfreud und ein bisschen Liebesleid; Musik aus den „Top Ten des 14. bis 16. Jahrhunderts“ versprach Riccardo Delfino.

Stilecht konnten er und seine Frau Doris Kulossa-Delfino die mediterranen Liebeslieder aus Renaissance und Frühbarock auch mit Nachbauten historischer Instrumente jener Zeit präsentieren. Viola da gamba, Blockflöten, Renaissancegitarre, Barockharfe und Rahmentrommel warteten auf ihren Einsatz, „Amore e dolore“ weit zurück liegender Zeiten in die Gegenwart zu holen.

Zu ihrer instrumentalen Begleitung beginnen die beiden mit einem getragenen Lied aus Ligurien, in dem unzweifelhaft von „amore“ gesungen wird. Es ist sehr schön, dass Delfino das Konzert moderiert und auch den Text des Lieds übersetzt.

Seine Frau trägt ebenfalls Übersetzungen vor, so dass die feinen Nuancen rund um die zwischenmenschlichen Beziehungen jener Zeit — aber auch die „zeitlosen“ — dem Publikum verständlich werden. Man erfährt auch, dass man in der Renaissance angefangen hat, über die Liebe zu singen.

Aus Spanien folgt ein Stück, in dem die Frau auffordert: „Bringe meinem Liebsten die Botschaft, dass ich schon verheiratet bin!“ Wurden bis in jene Zeit Ehen aus gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen geschlossen, und spielte die Liebe keine Rolle bei einer Heirat, so ändert sich dies in der Renaissance. Dass sich die Liebe dabei auch über Konventionen hinweg setzen konnte, weiß man spätestens seit Romeo und Julia.

Mit wechselnden Instrumenten begleitet das Duo seinen Gesang und fügt manches instrumentale Intermezzo ein. Es entsteht eine schöne Atmosphäre, die wunderbar zum Sommertag passt. Da stören die kleinen stimmlichen Schwächen der Sängerin auch nicht im Geringsten den Genuss. Sehr authentisch kommen Musik und Inhalte der Lieder herüber; man hat sein Ohr an Volkes Stimme, kann sich dank der unterhaltsamen Moderationen und dem Übersetzen der Texte bestens in die Situationen einfühlen.

Da belauscht man einen jungen Mann, der sehnsüchtig ein Bauernmädchen bei seinem Gang zum Brunnen beobachtet und über dessen Grazie ins Schwärmen gerät. Schließlich kann das Publikum auch mal aus einer völlig fremden Perspektive auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern schauen und sich mit dem Gedanken auseinandersetzen „Wie gut, dass Frauen keine Schwerter tragen, so können sie die Männer nur mit der Liebe verletzen!“.

Die Klangvielfalt der wenig vertrauten Instrumente, die in jener Zeit gerade für die Interpretation von Liebesliedern beliebt gewesen sein sollen, und das sehr abwechslungsreiche wie unterhaltsam informierende Konzert, sind ein Genuss. Dementsprechend bedanken sich die Zuhörer begeistert und erhalten noch als Zugabe einen gesungenen neapolitanischen Kinderreim, in dem auch Zweideutigkeiten stecken.

Die bleiben aber leider dem Publikum ohne Italienischkenntnisse verborgen.

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