Jazztrio fährt mit Publikum Achterbahn

Die skandinavisch-britische Band Phronesis sorgt bei ihrem Konzert im Foyer des Theaters für Begeisterungsstürme.

Jazztrio fährt mit Publikum Achterbahn
Foto: Andreas Bischof

Warum wohl mag sich dieses Trio, das zwei Skandinavier und einen Briten zusammen-bringt, Phronesis genannt haben? Man weiß es nicht. Das altgriechische Wort bedeutet jedenfalls Klugheit, und klug war es auf jeden Fall vom Dänen Jasper Hoiby, vom Engländer Ivo Neame und vom Schweden Anton Eger, seit nunmehr 2005 zusammengeblieben zu sein. Derart traumhaft aufeinander eingespielt präsentiert sich jedenfalls selten eine Jazzband, wie sich die drei Musiker jetzt auf Einladung des Jazzklubs Krefeld im Foyer des Theaters präsentierten. Das Publikum war am Ende hin und weg und spendierte stehende Ovationen.

Das Pianotrio, mit Kontrabass, Schlagzeug und Piano besetzt, gilt im Jazz unter den Besetzungen als Königsdisziplin, auch wenn der Vergleich zum Sport hier nicht weiterführt. Für die kammermusikalische Basiseinheit Pianotrio stimmt auf jeden Fall zweierlei: Keiner der Musiker kann sich hier verstecken, und das Zusammenspiel leidet unter jedem Ungleichgewicht, das durch zu unterschiedliche Fähigkeiten entsteht.

Phronesis vereint drei Spitzenkönner auf hohem Niveau. Pianist Neame, Kontrabassist Hoiby und Schlagzeuger Eger agieren allesamt virtuos, und am erstaunlichsten ist, dass bei ihnen die herkömmliche Hierarchie zwischen führendem Piano und begleitender Rhythmusgruppe sehr oft aufgehoben scheint.

Die drei Instrumentalisten agieren also gleichberechtigt und ergänzen sich dabei paradoxerweise doch aufs Beste, ohne einander auszustechen. So liegen zum Beispiel manchmal die Themen der Stücke in der Mittellage, das heißt für den Pianisten in der linken Hand. Das ermöglicht dann Kontrabassist Hoiby, das Thema unisono zu doppeln.

Oft aber führt scheinbar auch Hoiby, der mit seinem satten und weichen Ton insgesamt sehr melodiös spielt und sich nur selten mit reinen Begleitfiguren bescheidet. Die Verschmelzung von Piano- und Bassspiel wird am sinnfälligsten bei den häufig wiederkehrenden und rhythmisch anspruchsvollen ostinaten Begleitfiguren, bei der Neame und Hoiby von vornherein unisono agieren, was den Linien eine besondere treibende Wucht verleiht. Darüber setzt dann Neame mit seiner rechten Hand flirrende Läufe, und beides zusammen schaukelt sich zu einer Dichte der Stimmverflechtung hoch, die atemberaubend wirkt.

Dass sich dabei Hoiby und Neame oftmals im Achtelraum bewegen und der unglaublich agile Drummer Anton Eger fast immer mit seiner rechten Führhand Sechzehntel darunter setzt, steigert die Komplexität und Dichte der Musik noch erheblich. Das vom hektischen Drum’n’Bass-Stil abgeleitete Fusion-Drumming Egers verleiht Phronesis eine so europäische wie frische Note.

Harmonisch und melodisch bleibt das Spiel des Trios immer im Rahmen des Überschaubaren, rhythmisch und im Zusammenspiel aber ist es meist von stupender Komplexität. Das macht die Musik von Phronesis so attraktiv. Die Zuhörer müssen sich nicht in fremden Klangwelten zurechtfinden, können sich ohne Probleme auf das Material einlassen. Aber man nimmt dabei nicht in einem Bummelzug Platz, sondern findet sich unvermittelt in einer Achterbahn mit steilen Kurven und rasanten Loopings wieder.

Und hat man sich erst einmal darauf eingelassen, verblüffen die Musiker dann doch auch einmal unverhofft mit einer Ballade, in der sie mit einer ganz anderen Kunst glänzen, die man ihnen nicht auch noch zugetraut hat, nämlich der, Pausen atmen zu lassen.

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