Internetstar am Bass ist beim Jazzfestival dabei

Klick-Millionärin Kinga Glyk soll die Fans zum „Jazz an einem Sommerabend“ locken.

Internetstar am Bass ist beim Jazzfestival dabei
Foto: Peter Hönnemann

Jetzt hat es also auch den Jazz erwischt. Starruhm, der erst einmal im Internet entsteht, war in der Musik bisher eher ein auf Pop und Rock beschränktes Phänomen, aber dann kam Kinga Glyk. Die inzwischen 21-jährige Polin erreichte Millionen Klicks auf Youtube mit einer Coverversion von Eric Claptons „Tears in Heaven“.

Internetstar am Bass ist beim Jazzfestival dabei
Foto: Peter Hönnemann

Einer Instrumentalversion, wohlgemerkt, die junge Künstlerin trägt den Song auf einem elektrischen Fender Jazzbass vor. Kinga Glyk und ihr Trio sind der Top Act beim 34. Internationalen Festival „Jazz an einem Sommerabend“, das der Jazzklub Krefeld am 1. September in der Vorburg der Burg Linn veranstaltet.

Die Folgen des Hypes um Kinga Glyk sind so irrational wie in ähnlich gelagerten Fällen. Jazz, ist das nicht diese schwer verstehbare Musik für Intellektuelle, in der bärtige, leicht angegraute Nerds den Ton angeben? Richtig ist, dass die Frauenquote unter den professionellen Jazzmusikern mit 20 Prozent beschämend gering ausfällt. Kinga Glyk aber wird die Musik, die sie bevorzugt, weder aus Männerhand befreien, noch wird sie ihr als Ganzes den Popularitätsschub verpassen, den der Jazz vielleicht verdient hat, unter Umständen aber auch gar nicht braucht.

Wie dem auch sei. Dem Jazzklub als Veranstalter kann man jedenfalls nicht vorwerfen, mit der Verpflichtung der jungen Polin einen Trend verschlafen zu haben. Europaweit reißen sich die Veranstalter um Kinga Glyk, warum sie also nicht für die Burg Linn verpflichten. Immerhin attestieren auch besonnenere Kritiker der Bassistin Talent und Potenzial, und sie selbst ist so schlau, nicht mit einem bündchenlosen Bass aufzutreten. Ein solcher war das bevorzugte Instrument ihres großen Vorbilds Jaco Pastorius. Glyk aber weiß, dass sie für diese Variante des E-Basses noch ein wenig mehr Übezeit braucht. So viel Selbsterkenntnis lässt hoffen.

In ihrem Trio wird Kinga Glyk begleitet von Irek Glyk, der nicht nur ein ziemlich flinker Trommler, sondern auch ihr Vater ist. Am Piano sitzt Rafal Stepien, und der ist — wie man auf diversen Internet-Video-Clips hören kann — ein sehr ausgefuchster Musiker. Stilistisch bevorzugt das Trio zeitgenössische Mainstream-Fusion. Gestandene Musikerinnen dominieren die mittlere Band des Abends, ebenfalls ein Trio. Die 1966 in Tokio geborene Leiterin ist Makiko Hirabayashi. Die Pianistin ist bisher von Starruhm verschont geblieben, was nichts über ihr Talent aussagt. Sie hat aber in der weltweit renommiertesten Ausbildungsstätte des Jazz, dem Berklee College of Music in Boston, studiert.

Mit überdurchschnittlichen instrumentalen Fähigkeiten ist es ihr gelungen, im Grenzbereich von Jazz und Weltmusik eine eigene Stimme zu entwickeln. Begleitet wird Hirabayashi von Marilyn Mazur am Schlagzeug und deren Ehemann Klavs Hovmann am Kontrabass. Die amerikanisch-dänische Musikerin Mazur genoss auch einmal Starruhm, zurückzuführen darauf, dass sie zwischen 1985 und 1989 für Miles Davis trommelte. Und sie war bereits 1989 einmal mit eigener Band in Krefeld. Wäre das Krefelder Horst Hansen Trio tatsächlich eine Band mit drei Musikern, würde das diesjährige Jazzklub-Festival ein Konzert der Trios werden. Aber wie der Krefelder Jazzfan weiß, verbirgt sich hinter diesem Trio ein Quintett.

Die Krefelder Talente um Saxophonist Lukas Weber und Schlagzeuger Till Menzer wollen auch jenseits der selbstgestrickten Bandlegende wohl immer noch den Spaßfaktor in ihrer Musik nicht zu kurz kommen lassen und werben auf ihre eigene Art um jüngere Zuhörer.

Der Jazzklub wollte das Quintett mit seiner Fusionmusik, Marke Eigenbau, schon länger als lokale Band für das Festival verpflichten, nun dürfen die „Hansens“ den Auftakt des diesjährigen Festivals gestalten.

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