Konzert Ein Glam-Rocker erzählt von bewegten Zeiten

Andy Scott von der Band Sweet spricht mit der WZ über die Band, seine verstorbenen Kollegen und seine Krankheit.

Konzert: Ein Glam-Rocker erzählt von bewegten Zeiten
Foto: Werner Jürgens

Krefeld. Neben Sänger Brian Connolly, Schlagzeuger Mick Tucker und Steve Priest am Bass hat er maßgeblich den Sound von Sweet geprägt. Jetzt begibt sich Gitarrist Andy Scott nach überstandener Krebserkrankung auf Konzertreise, um die großen Hits wie „Action“, „Ballroom Blitz“ oder „Love is Like Oxygen“ live auf der Bühne zu präsentieren — und das, wie sich aus dem Tour-Motto „The Last Encore“ schließen lässt, wohl zum vorerst letzten Mal. Am Sonntag, 23. April, spielt er mit seiner Band in der Krefelder Kulturfabrik. Aus diesem Anlass blickt Andy Scott in folgendem Interview noch einmal auf seine ereignisreiche Karriere zurück.

Es kursiert die Anekdote, Sie hätten während Ihres Vorspielens bei Sweet die Sicherung des Verstärkers zur Explosion gebracht. Ist das wahr?
Andy Scott: Es war eher so, dass ich den Proberaum aufgeweckt habe. Der Verstärker war auf volle Lautstärke gedreht, was zur Folge hatte, dass in dem Moment, als ich meine Gitarre einstöpselte, ein horrendes Feedback entstand. Wir haben anschließend zusammen ein paar Songs gespielt und das hat wunderbar geklappt. Die Sicherung ist allerdings nicht durchgebrannt.

Die Sweet-Hits der Frühphase sind extrem eingängig. Sie selber haben Titel wie „Co-Co“, „Poppa Joe“ oder „Little Willie“ sogar mal als „Pop Shit“ bezeichnet. Wie stehen Sie heute dazu?
Scott: Wir haben sie eine Zeit lang nicht mehr gespielt, weil sie in gewisser Weise unserem anderem Material im Weg standen. Ich mag sie nur nicht elektrisch mit voller Band-Unterstützung, weil ihnen das viel von ihrem Charme nimmt. Daher sind wir inzwischen dazu übergegangen, sie in ein rund 20-minütiges akustisches Unplugged-Set einzubinden. Die Reaktionen zeigen, dass wir damit richtig liegen. Es kommt wesentlich besser beim Publikum an, wenn wir uns hinsetzen und die Leute mitsingen können.

Im Laufe der Zeit sind Sweet deutlich rockiger geworden.
Scott: Wer wissen wollte, wie Sweet ohne Chinn und Chapman klingen, brauchte nur die Singles umzudrehen. Wir hatten ihnen die A-Seiten überlassen, uns aber die B-Seiten für unsere eigenen Songs vorbehalten. Da hat jeder schnell gemerkt, dass unter der Oberfläche eine völlig andere Band schlummerte. Auf „Little Willy“ haben noch ein paar Session-Musiker mitgewirkt. Spätestens danach ist alles, was man auf unseren Schallplatten hört, ausnahmslos von Sweet aufgenommen worden. Mitte 1972 wollte unsere Plattenfirma RCA einen neuen Vertrag mit uns aushandeln. Wir waren nur bereit zu unterschreiben, wenn man sich mehr nach unseren musikalischen Vorstellungen richten würde. Just zu dem Zeitpunkt besuchte Mike Chapman, der uns bis dahin eine Weile nicht live gesehen hatte, eine unserer Shows und erlebte diese verrückte Situation, als die Leute völlig am Ausflippen waren. „Ballroom Blitz“ basiert im Wesentlichen auf dem, was er dort im Publikum gesehen hat.

1975 wurden mit „Fox on the Run“ und „Action“ zwei von der Band komponierte Titel zu Hits. Was lief da genau ab?
Scott:
Wir wollten kein Teil von einer Fabrik werden, wo es irgendwann nur noch heißt: „Du kriegst den Song und der kriegt jenen Song.“ Phil Wainman hätte uns gern weiter produziert. Aber unser Gedankengang war: Besser einen sauberen Break machen und uns selber darum kümmern. In meinem Kopf war ich ohnehin längst so weit, dass ich mich dazu in der Lage fühlte. Das habe ich den anderen auch mitgeteilt. Im Zuge der Neuverhandlungen haben wir uns von allem bis auf die Plattenfirma getrennt, an die wir vorerst vertraglich gebunden waren. Glücklicherweise haben die den Schritt mitgemacht, was sich letztlich für sie ausgezahlt hat. „Fox on the Run“ und „Action“ waren die Titel, die uns den Durchbruch in Amerika beschert haben. Das wäre uns mit Sicherheit nicht gelungen, wenn wir weiter auf der Pop-Schiene gefahren wären.

Warum hat sich die Band in den 80er-Jahren aufgelöst?
Scott:
Mit dem Weggang von Brian Ende der 70er begann alles auseinanderzufallen. Die meisten Bands halten selten länger als zehn Jahre. Ich denke, das ist so etwas wie die übliche Lebensdauer. Jedenfalls schien das auch für uns gerade die richtige Zeit zu sein. Das passte irgendwie.

Meinen Sie damit, der Schlussstrich wäre so oder so unvermeidlich gewesen?
Scott:
Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich doch enttäuscht über einige meiner Entscheidungen. So wie es um Brian damals stand, hätten wir mit ihm nicht wirklich weiter machen können. Aber das bedeutet keineswegs, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist, sich von ihm zu trennen. Wir waren echt voll in der Zwickmühle.

Dazu muss man wissen, dass Brian Connolly heftige Alkoholprobleme hatte, was ihn auch viel zu früh ins Grab brachte. Er starb 1997 im Alter von nur 51 Jahren an Nierenversagen und einem Herzinfarkt. Erinnern Sie sich an den letzten Kontakt mit ihm?
Scott:
Das war an Weihnachten, bevor er starb. Da war er bereits sehr krank. Als seine Band den Veranstalter kontaktierte, sollten die Jungens ohne Brian spielen. Er sah eine gute Gelegenheit, weniger bezahlen zu müssen und wollte das ganze trotzdem als Sweet verkaufen. Mick Tucker und ich sind umgehend darauf angesprungen und haben denen gesagt: „Das werdet ihr nicht tun. Es heißt immer noch Brian Connolly’s Sweet. Ich habe dann Brian kontaktiert und ihm vorgeschlagen, dass es nur einen Weg gibt, um das zu stoppen. Wir würden erst einmal schauen, dass er wieder gesund wird. Er sollte sich unterdessen überlegen, wie es für ihn wäre, ein paar Auftritte mit meiner Band zu machen. Brian schien damit auch einverstanden zu sein. Leider verschlimmerte sich die Krankheit weiter, so dass er im Februar starb.

Mick Tucker starb 2002 an Leukämie. Bei Ihnen wurde 2009 Prostata-Krebs diagnostiziert. Wie geht es ihnen gesundheitlich?
Scott:
Ich will es mal so ausdrücken: Ich harre der Dinge, die da kommen. Man ist ja niemals sicher. Du sprichst zwar mit deinem Onkologen und der sagt dir: „Alles läuft bestens. Dir geht es gut.“ Aber du kannst dich eben nicht umdrehen und davon ausgehen, dass es tatsächlich vorbei ist. Im Moment bin ich klar. Und darüber sind wir alle sehr glücklich.

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