Die Kunst sucht sich neue Räume

In der grandiosen Kulisse der historischen Lagerhalle am Hafenkopf zeigen heute erstmals Künstler ihre Werke.

Krefeld. Die Kunst flieht aus den Ateliers und Galerien, sie sucht sich neue, aufregende Orte. Exakt eine Woche, bevor bei Dujardin das ehemalige Fasslager zur riesigen Ausstellungsfläche wird, haben drei Künstler eine Lagerhalle am Hafenkopf in Beschlag genommen. Heute bieten sie dort "Zwölf atemlose Stunden".

Dagmar Wassong, Malerin in Meerbusch und Dozentin an der Kunstakademie Trier, kennt die Halle noch aus Studententagen. "Ich habe mich damals verbotenerweise mit meiner Kamera auf dem Gelände ’rumgedrückt", erzählt sie. Zwölf Jahre später fragte sie ganz offiziell bei der Hafen Krefeld GmbH an - und bekam das Okay für eine kostenlose Nutzung.

Ihre abstrakten Porträts in grellen Farben setzen irritierende Akzente auf dem alten, schmutzig weißen Mauerwerk. "Es ist, als müssten die Bilder die Halle beleuchten", sagt die Malerin. "Ich wollte der Dunkelheit bewusst mit Knallerfarben begegnen."

Im Nebenraum hat der Krefelder Dirk Montag drei Installationen aufgebaut. Sie befassen sich mit der industriellen Manipulation von Lebensmitteln. "Man weiß nicht, was mit dem Essen passiert, man bekommt keinen Einblick", sagt der Künstler. Er hat in einer düsteren Ecke ein Röhrengewirr installiert, einige Meter weiter verbreitet ein "Aromarasen" penetranten Vanillegeruch.

Die interessantesten Arbeiten steuert der Essener Bildhauer Roger Löchtermann bei. Mit Kettensäge, Klüpfel und Beitel verwandelt er dicke Baumstämme in ausdrucksstarke Holzfiguren. An den Skulpturen haben Werkzeuge und Wetter Spuren hinterlassen. Verloren und aufmerksam stehen die Figuren in der Halle, die Löchtermann an eine Kathedrale erinnert. "Das passt gut zusammen", sagt er. "Das Holz hat Patina und die Steine auch."

In der Tat ist schon das Gebäude allein Anlass genug, die Ausstellung zu besuchen - zumal es die erste und wohl vorerst letzte ist. Die Hafen GmbH will das Gebäude von 1906 laut Prokuristin Jutta Maritzen schnell wieder als Lagerhalle vermieten. Vor 100 Jahren wurden hier Nickel und Chrom umgeschlagen, später lagerte Orangenmarmelade, zuletzt Katzenstreu und Hundefutter. Die Kunst ist nur zu Gast und tut, was sie am Besten kann - neue Blickwinkel eröffnen.

Zwölf atemlose Stunden, Samstag, 11 bis 23 Uhr, Am Hafenkopf 6, Linn.

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