Bandoneon: Schmuckstück aus dem 19. Jahrhundert

Roswitha Baronesse Dubois de Luchet-Mazur ist im Besitz eines Instruments aus dem 19. Jahrhundert.

Krefeld. „Auf meinem Kinderwagen lag Staub“, erzählt Roswitha Baronesse Dubois de Luchet-Mazur über den Luftangriff vom 6. Juli 1941. Das ist ihr wohl später von den Eltern berichtet worden. Denn am Tag der Katastrophe war die kleine Roswitha erst ein halbes Jahr alt. Ihr Elternhaus auf der Marktstraße 114 war jedenfalls schwer getroffen worden, eine Bombe hatte alle Geschosse zerschlagen, die Fassade zur Hälfte abgesprengt. „Aber alle haben überlebt“, erzählt die Baronesse, und auch das wichtige Familienerbstück konnte heil aus den Trümmern geborgen werden — das Bandoneon von Urgroßvater Johann.

Die Baronesse und ihr Mann hüten es noch heute wie einen Schatz. Das Instrument trägt den Schriftzug Bandonion — also in der alten Schreibweise mit „i“. Der Urgroßvater Johann Kuhlen (1844-1933) soll das Instrument noch zu Lebzeiten des Krefelder Bandoneon-Erfinders Heinrich Band (1821-1860) gekauft haben. Deswegen hatte sich die Baronesse jetzt wieder an die Öffentlichkeit gewandt.

In der WZ hatte sie gelesen, die Stadt Krefeld bemühe sich gerade, ein Originalinstrument von Heinrich Band zu kaufen, wahrscheinlich das einzige weltweit erhaltene seiner Art. „Aber ich habe doch auch eines“, dachte sie sich.

Das Instrument ist in gutem Zustand, nur die ledernen Zugschlaufen sind verschlissen und nicht mehr intakt. Auf dem Aufkleber, der am prachtvoll verzierten Balg angebracht ist, steht zu lesen: „H. Band & J. Dupont“.

Das „H. Band“ steht für Heinrich Band, das „J. Dupont“ für Jaques oder auch Jacob Dupont, seinen Kompagnon. Die beiden Namen in dieser Schreibweise finden sich auch auf einem Zettel in dem Instrument, das die Stadt jetzt kaufen möchte. Die Firmierung des Musikalienhandels nach dem Tod von Heinrich Band lautet „H. Band, Wwe., & J. Dupont“, hierbei steht das Wwe. für Witwe. Wahrscheinlich ist also, dass auch das Instrument der Baronesse vor 1860 gebaut wurde.

Ein Foto aus dem Jahr 1928 zeigt Johann Kuhlen. Sein Bandoneon hat er auf den Knien, er spielt es wohl im Moment der Aufnahme.

„Der Wert des Instruments war uns bewusst“, erklärt die Baronesse, deren Vater Erich Dubois de Luchet, ein Nachfahre von Hugenotten, den Adel in die Familie gebracht hat. Johann Kuhlen, der Urgroßvater, stammte aus Willich, war ein einfacher Weber und offenbar musikalisch. Er soll zu Hochzeiten und anderen Feiern mit dem Bandoneon aufgespielt haben.

Der museale Wert des Instruments ist in jedem Fall hoch, sagt Carsten Heveling, Bandoneon-Experte aus Wuppertal. Der Erstbesitzer ist bekannt, und auch das weitere Eigentum daran ist lückenlos bis auf den heutigen Tag dokumentierbar — wie das bei Familienschätzen so ist. Darüber hinaus scheint das Instrument nicht verändert worden zu sein, wofür zum Beispiel die defekten Handschlaufen sprechen. Alles das zusammengenommen sei äußerst selten, sagt Heveling.

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