Adrian Linke: Ein Dandy wird erwachsen

Als Frank N. Furter in der „Rocky Horror Show“ feiert Adrian Linke Triumphe. Dabei hatte er anfangs große Hemmungen.

Krefeld. Plötzlich gehört er zu den Älteren, mit gerade mal 40 Jahren. Für Sturm und Drang, die jungen Helden, für Lenz und Woyzeck sind jetzt die Kollegen zuständig, die neu ans Haus gekommen sind. Sie turnen Gitterzäune hoch und rennen bis zur Erschöpfung auf einer Drehscheibe im Kreis. Adrian Linke hingegen spürt, dass ihm der behende Sprung aufs Klavier im Dauerbrenner „Novecento“ nicht mehr so leicht fällt. „Ich war bei der Premiere zehn Jahre jünger“, sagt er. „Das Tempo ist ein bisschen raus.“

Nicht, dass er müde würde. Wenn Linke auf der Bühne steht, ist er voll da. Aggressiv und ätzend als Reporter in „Das Interview“, ein boshafter Marionettenspieler Salieri in „Amadeus“. Linke spielt sie gern, die Charakterschweine und Fieslinge, bei ihm haben sie eine Geschichte. Kein plumpes Trauma treibt sie an, sondern ein Seelenkrebs, der sie von innen zerfrisst. Sie leiden an sich selbst und ihrem Tun.

Linke ist so stark in diesen differenzierten Rollen, es überrascht ein wenig, dass der schrille Transvestit Frank N. Furter schon zu seinen Lieblingsfiguren gehört. Sicher: Wenn Linke in Strapsen und Plateauschuhen die Bühne betritt, erreicht die „Rocky Horror Show“ den ersten umjubelten Höhepunkt, wenn er wie eine Mischung aus Mick Jagger und Lilo Wanders „Sweet Transvestite“ singt, liegt Krefeld ihm zu Füßen. Aber ist das nicht „nur“ Musical, lästiges Tralala, Opium fürs Volk?

Linke widerspricht: „Die Show ist nicht nur blöd und flach, sie ist viel mehr als Schwachsinn.“ Den verrückten Doktor zu geben, wie es Tim Curry im legendären Film getan hat, ist für ihn so, als müsse er Jack Nicholson im „Kuckucksnest“ nacheifern. „Es ist schwer, dagegen anzuspielen. Die Latte liegt hoch.“ Doch nicht nur der Intendant scheint gewusst zu haben, dass er den Part stemmen kann: „Ich habe oft gehört, dass ich eigentlich mal Frank N. Furter spielen müsste. Warum das so ist — keine Ahnung.“ Leichter gemacht hat es die Sache auch nicht: „Am Anfang hatte ich ganz große Hemmungen“, gibt Linke zu. „Wenn die Musik losgeht und die Party steigt, ist man als Schauspieler erst mal überfordert.“

Man hat ja, wie in jedem Beruf, ein bestimmtes Bild von sich. Bei Linke mag es der Dandy gewesen sein, der schöne, kultivierte Held: Auf seiner offenbar in Vergessenheit geratenen Homepage wird das sichtbar. Die Fotos haben die Wirkung einer Zeitreise: der junge Linke, elegant, perfekt frisiert, charmantes Jungenlächeln. Kurz war er damals eine Art Fernsehstar, spielte in der Soap „Verbotene Liebe“ und im „Alphateam“. „Ich bin froh, dass ich mir den Zahn gezogen habe“, sagt er heute. „Irgendwann musste ich mich entscheiden: Will ich mit profanen Texten Geld verdienen oder mich lieber mit guter Literatur beschäftigen?“

Die Wahl fiel 2002 auf das Theater und auf Krefeld. Linke lebt damit aus vollem Herzen. Nicht viele wären fiebrig und mit Stimmbandentzündung zur „Amadeus“-Premiere auf die Bühne gegangen. Der „Tanz auf dem Drahtseil“, wie Linke selbst sagt, wurde zu seinem größten Triumph, ein intensiver Theaterabend, wie Krefeld ihn selten erlebt. Die Leute standen und jubelten, mindestens 15 Minuten lang.

Vielleicht war es die Geburt eines neuen, reiferen Adrian Linke. „Jetzt kommen die 40-, 50-Jährigen“, sagt er. „Richtig gute Rollen.“ Es wäre schön, wenn er sie hier am Niederrhein spielt.

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