Angebot Krefelder Netzwerk: „Zu trauern, das ist Leben pur“

Krefelder Netzwerk bündelt Angebote für betroffene Freunde und Angehörige, um mit dem Tod eines geliebten Menschen zurechtzukommen.

Angebot: Krefelder Netzwerk: „Zu trauern, das ist Leben pur“
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Krefeld. „Trauern Sie immer noch?“ — „Ja, mein Sohn ist immer noch tot.“ Der Tod eines geliebten Menschen verändert alles. Der Schritt zurück in den Alltag ist für Familie und Freunde oft sehr schwer. Nicht nur, dass der Trauernde mit dem Verlust zu kämpfen hat, auch die — vermeintlichen — Erwartungen anderer Menschen aus dem Umfeld werden von Betroffenen häufig als belastend empfunden.

Viele, so berichtet Antje Wenzel-Kassmer, Pfarrerin und Krankenhausseelsorgerin, „denken, dass nach sechs Wochen wieder alles gut sein muss“ — oder spätestens, fügt Birgit Buss-Hennes, Diplom Sozialpädagogin, hinzu, „nach einem Jahr, wenn man einmal Geburtstag, Weihnachten und Ostern ohne die geliebte Person gefeiert hat“.

Trauer folgt aber keiner Logik und keiner Zeitvorgabe. „Trauer braucht ihre Zeit. Nach dem schrecklichen Tod eines Kindes, kann es auch zehn Jahre dauern, bis alles bewältigt ist“, so Wenzel-Kassmer.

Darum hat das Netzwerk Trauer in Krefeld es sich zur Aufgabe gemacht, den Trauernden Angebote zu bieten, die „verlässlich und über einen längeren Zeitraum gehen“, wie Ute Hüsgen erklärt.

Wer eines der Angebote aufsucht, muss aber keine Angst haben, dass dort immer niedergeschlagene Stimmung herrscht, betont Christiane Parlings, Krankenhausseelsorgerin und Trauerbegleiterin: „Trauer ist ein lebendiger Prozess und Leben pur. Wir lachen miteinander, aber weinen auch. Wir machen Pläne und teilen Erinnerungen.“ Diesen Prozess zu begleiten, empfindet Hüsgen als Geschenk: „Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg mit den Menschen gehen darf.“

Natürlich müssen die Trauerbegleiter bei ihrer Arbeit auch an sich selbst denken: „Früher bin ich nach Beerdigungen direkt zurück an den Schreibtisch gegangen“, berichtet Brigitte Schmitz, Gemeindereferentin, „heute weiß ich, dass mir das nicht guttut. Ich gehe dann lieber eine Runde spazieren oder treffe mich mit Kollegen. Ich muss mich auch um mich selbst sorgen. Denn nur dann kann ich stark für die Trauernden sein.“

Oft sei der Weg, bis es Trauernde in die verschiedenen Gruppen schaffen, ein langer, weiß Parlings: „Der erste Weg geht für viele zum Hausarzt. Die schätzen das oftmals aber falsch ein und schicken den Patienten eher zum Psychologen als direkt in eine Trauergruppe. Dabei ist Trauer keine Depression.“ Hüsgen erklärt: „Ich bin nicht direkt depressiv, wenn ich mal weine.“ Und auch Wenzel-Kassmer appelliert an mehr Aufklärung bei den Hausärzten: „Eine Teilnehmerin berichtete mir, dass ihr Hausarzt sie nach einem Jahr verblüfft fragte: Trauern Sie immer noch?“

Viele Trauernde nutzen die Gruppen vor allem, um sich zu vergewissern, ob gewisse Haltungen „normal“ sind, wie Hüsgen berichtet: „Viele fragen sich zum Beispiel, ob es normal ist, wütend zu sein. Es beruhigt sie dann zu sehen, dass es auch anderen Trauernden so geht.“ Darum sei es wichtig, in den Gruppen vor allem eine Offenheit zu signalisieren, erklärt Ulrich Hagens, Cityseelsorger: „Wir wollen den Menschen einfach einen Raum geben, in dem sie die Erfahrung machen können, das es anderen ähnlich geht. Viele kommen gerade, um sich auszutauschen und zu gucken, wie die anderen damit umgehen.“

So zum Beispiel auch eine Teilnehmerin einer Trauergruppe von Heike Dufeu, Kinder-, Jugend- und Familientrauerbegleiterin, die bei einem Treffen beschämt erzählte, dass sie vor kurzem Bratkartoffeln mit Spiegelei gekocht hat, so Dufeu: „Wir haben uns alle erst gewundert, was daran schlimm sein soll. Aber dann berichtete die Teilnehmerin, dass ihr Mann Bratkartoffeln mit Spiegelei gehasst hat und sie das Essen mit voller Wonne gegessen habe und sich deshalb schlecht fühlte. Sie brauchte die Bestätigung aus der Gruppe, dass es ganz normal ist.“

Und das ist die Hauptaufgabe der Trauerbegleiter: Da zu sein und zu zeigen, dass es völlig normal ist, traurig zu sein. Christiane Parlings: „Trauer ist schließlich keine Krankheit. Es ist jetzt schlimm, aber das heißt nicht, dass es so schlimm bleibt.“

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