Medizin Krefelder Ärztin bringt Hörgeräte nach Indien

Seit drei Jahren behandelt Susanne Wagener Menschen im Süden des riesigen Landes — kostenlos. Dafür braucht sie Spenden.

Medizin: Krefelder Ärztin bringt Hörgeräte nach Indien
Foto: Wagener

Krefeld. Susanne Wagener ist erst seit wenigen Tagen wieder zurück in Krefeld. In ihrem Behandlungsraum liegen schon jetzt die Hörgeräte für ihre nächste Reise in elf Monaten. Jeden Januar schließt die Ärztin ihre HNO-Praxis in Bockum für zehn Tage und fährt in die südindische 20 000-Einwohner-Stadt Penukonda, seit drei Jahren. Im Gepäck hat sie stets wenig Kleidung und viel Equipment: Endoskop, Stirnlampe, Lupenbrille und viele Hörgeräte, gespendet von Patienten.

Medizin: Krefelder Ärztin bringt Hörgeräte nach Indien
Foto: Wagener

Susanne Wagener

„Die Kinder hier sind alle krank“, berichtete ihr eine Freundin, die in der ärmlichen Provinz Andra Pradesh eine Schule gegründet hat. Susanne Wagener frischte ihre Kenntnisse in Tropenmedizin auf, flog in das indische Medizincamp und musste überrascht feststellen: „Das Hauptproblem dort sind gar nicht schlimme Infektionskrankheiten, sondern schwere Hörschäden bis zu an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit. Vor allem Kinder sind betroffen.“ Das habe teils genetische Gründe, aber auch verschleppte Mittelohrentzündungen seien Schuld an der hochgradigen Hörminderung.

Die HNO-Ärztin gründete für ihre karitative Arbeit den gemeinnützigen Verein „MedicalAid India“, mit dem Ziel, die Menschen in Penukonda und den umliegenden Dörfern mit Hörgeräten und kostenlos medizinisch zu versorgen. „Operieren kann ich vor Ort nicht“, sagt Wagener. Aber alte Hörgeräte sind eine Option.

Alle sechs Jahre kriegen Patienten in Deutschland ein neues Hörgerät. Wagener spricht ihre Patienten an, bittet sie um die alten Geräte für einen guten Zweck — und wird von der Welle an Hilfsbereitschaft nahezu überrollt. Ältere, analoge Geräte passt ein mitgereister Akustiker vor Ort an, hauptsächlich gehen aber digitale Hörgeräte an die überglücklichen Patienten. Die müssen erst einmal ihre Angst überwinden, vor den unbekannten Gerätschaften und vor der deutschen Ärztin. „Ich sehe mit der Stirnlampe aus wie ein Alien“, sagt Susanne Wagener lachend.

In Südindien sprechen die Menschen Telugu. Susanne Wagener hat angefangen, die Sprache zu lernen. Noch braucht sie einen Dolmetscher: Der Ortspriester übersetzt für die deutsche Ärztin. Auch die allgemeine medizinische Versorgung steht im Fokus. In fünf Tagen behandelt Wagener 500 Patienten. „Die kommen mit Ochsenkarren zu mir ins Camp gefahren.“ Zum ersten Mal begleitete sie dieses Jahr ein Düsseldorfer Allgemeinmediziner, ein alter Studienkollege. Mit einem Containerschiff hatten die Ärzte schon im April „eine kleine Ambulanz“ nach Indien geschickt. „Ein Ultraschallgerät, Untersuchungsliegen, Sterilisationsgeräte und jede Menge Verbandsmaterialien“, zählt Wagener auf. Es dauerte sechs Monate, bis alles durch den Zoll war.

Mit Spendengeldern finanziert die 52-Jährige nicht nur solche Transporte oder die notwendigen Batterien für die Hörgeräte, sondern auch das Gehalt für zwei indische Ärzte und zwei Krankenschwestern, die ganzjährig in der Ambulanz arbeiten. Auch eine Augenklinik fördert MedicalAid India. Künftig möchte Susanne Wagener zweimal im Jahr nach Penukonda reisen und die Ambulanz ausbauen. „Und vielleicht kann ich in Zukunft doch kleinere chirurgische Eingriffe vornehmen.“

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