Westwall Jürgen Wettingfeld: "Bei den Plänen zum Karlsplatz musste ich die Reißleine ziehen"

Als einstiger Befürworter der Umgestaltung des Museumsvorplatzes erklärt Jürgen Wettingfeld seine heutige Sicht.

Angeregt durch die Diskussion über die sofortige Öffnung des Karlsplatzes für den Autoverkehr hatte sich Anfang Oktober die „Initiative für einen autofreien Museumsvorplatz“ gegründet (l.). Jürgen Wettingfeld ist Vorsitzender des Bauausschusses (r.).

Angeregt durch die Diskussion über die sofortige Öffnung des Karlsplatzes für den Autoverkehr hatte sich Anfang Oktober die „Initiative für einen autofreien Museumsvorplatz“ gegründet (l.). Jürgen Wettingfeld ist Vorsitzender des Bauausschusses (r.).

Foto: DJ/Abi

Krefeld. Kein Thema hat die Krefelder zuletzt so stark polarisiert wie die Umgestaltungspläne für den Karlsplatz. Es gibt inzwischen zwei Initiativen, die sich für unterschiedliche Ziele aussprechen. Die einen für die sofortige Öffnung des Teilstücks zwischen Markt- und Blumenstraße, die anderen für einen autofreien Museumsvorplatz. CDU-Ratsherr Jürgen Wettingfeld ist Vorsitzender des Bauausschusses. Einst nannte er den Entwurf für die Neugestaltung einen Geniestreich.

Was sind die Gründe für den Sinneswandel?

Jürgen Wettingfeld: Von der Situation 2013, die in den Wettbewerbsunterlagen noch beschrieben war, haben wir uns immer mehr entfernt. Das Thema wurde immer komplexer. Aber nirgendwo fand eine Diskussion über ein generelles Verkehrskonzept statt. 2015 fing die Meinung zu den Gestaltungsplänen an zu kippen. Man spricht mit dem Einen und dem Anderen, Dinge veränderten sich. Das Unbehagen im Bauch wuchs. Das war die eigentliche Ausgangssituation für die folgende Wende.

Wodurch wurde die Wende ausgelöst?

Wettingfeld: Auslöser war im vergangenen Frühjahr der Planungswettbewerb für den Dionysiusplatz, genauer gesagt, wie der Findungs- und Entscheidungs-Prozess abgelaufen ist.

Beispielsweise?

Wettingfeld: Ich wurde beispielsweise von der Verwaltung angeschrieben und beglückwünscht, dass ich in der Jury sitze. Das war aber nicht der Fall, eine Zusage von mir gab es nicht. Diese Art hat mich schon verärgert.

Gibt es auch inhaltliche Kritik an dem Siegerentwurf?

Wettingeld: Letztendlich ist von den Wettbewerbsvorschlägen derjenige ausgewählt worden, der der jetzigen Situation auf dem Dionysiusplatz am nächsten kommt. Mir gefällt der Entwurf nicht. Am meisten habe ich mich geärgert über die geplante Einbeziehung der Breite Straße. Das ist im Kontext zu sehen mit der künftigen Verkehrsführung. Die Umsetzung würde zu einer Verkehrsbelastung des Quartiers in südliche und nördliche Richtung führen.

Ist es nicht erklärtes Ziel, durch neue Plätze die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Innenstadt zu erhöhen?

Wettingfeld: Wir haben derzeit mehrere Baustellen gleichzeitig. Zum Beispiel die Diskussion um die Erweiterung des Schwanenmarktes. Die Investition ist zu begrüßen, aber die Pläne haben Fragen aufgeworfen, die bislang nichtöffentlich diskutiert wurden. (Anmerkung: Sie sind bislang nur im nichtöffentlichen Gestaltungsbeirat einem kleinen Kreis vorgestellt worden). Wenn wir uns zu diesem Zeitpunkt für einen Platz-Entwurf entscheiden, werden wir in zehn Jahren denken, wir hätten vielleicht mehr darüber reden sollen, was das für Auswirkungen an anderer Stelle haben kann.

Zurück zum Karlsplatz. Haben Sie denn nicht selber in der Jury gesessen und beim präsentierten Entwurf von einem Geniestreich anschließend gesprochen?

Wettingfeld: Anfangs habe ich die Pläne noch für gut befunden, später ist Nachdenklichkeit bei mir aufgekommen. In der Jury habe ich jedoch nie gesessen. Ich war damals beruflich verhindert und Stefanie Neukirchen hat für mich den Sitz übernommen.

Was hat Sie nachdenklich gestimmt?

Wettingfeld: In der Verwaltungsvorlage stand ein Passus zu den zu verlegenden Edelstahlbändern, die empfindlich seien. Da hat es bei mir Klick gemacht. Wenn es an dieser Stelle Schwierigkeiten gibt, müssen wir noch mal darüber reden. Der im Ausschuss vorgelegte Bauplan ist von 2015, einen neuen, baureifen gibt es noch nicht, aber erst dann, wenn alle Details klar sind, ist eine Ausschreibung möglich.

In der entscheidenden Ausschusssitzung des Bauausschusses ist es beim Tagesordnungspunkt „vorgesehenes Verkehrskonzept für Karlsplatz“ auch im Zuschauerraum emotional hoch hergegangen.

Wettingfeld: In der Bezirksvertretung Mitte zuvor ist es schon unglücklich gelaufen, als die Diskussion über das KWM und die Verkehrsführung aufkam. Das möchte ich künftig vermeiden. Deshalb hatte ich ein Moderationsverfahren vorgeschlagen, das wir vor mehr als zwei Wochen durchgeführt haben.

Ist der Zeitrahmen für die Förderung der Umbaumaßnahme aus dem Stadtumbau West noch zu schaffen?

Wettingfeld: Ich glaube schon. Man müsste jedoch richtig Gas geben. Wir sind jetzt in einer Phase, neben den Aspekten aus dem Moderationsverfahren, wo wir uns fragen müssen: Wie sieht der Platz künftig aus?

Wie stellen Sie sich den Karlsplatz vor? Als repräsentativen Museumsvorplatz? Als Verbindungstrasse zwischen Nord und Süd und umgekehrt?

Wettingfeld: Ich wünsche mir ein baulich eindeutiges Ergebnis, in das auch die angesprochenen Punkte aus dem Moderationsverfahren einfließen. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass der Eingangsbereich des Museums autofrei bleibt. Eine Busspur kann jedoch nur an der Marktstraße sein und nicht unmittelbar hinter dem Museum. Dort fahren derzeit die großen Besucher-Reisebusse durch. Ob die Zweispurigkeit auf der östlichen Seite des Karlsplatzes möglich ist, muss die Fachverwaltung klären ebenso wie die strittigen Punkte Bus-Haltestelle und Innenhof. Auch muss entschieden werden, ob politisch weiterhin eine Ampelanlage gewollt wird, auch wenn es bei künftig Tempo 30 in der Innenstadt keine Fördergelder mehr dafür geben wird.

Welche Bedenken haben Sie zur Pflasterung?

Wettingfeld: Die Pflasterung im Innenhof ist im Top-Zustand. Wieso sollten die rund 250 Quadratmeter also neu gepflastert werden? Bei Verzicht darauf können wir Geld sparen. Außerdem ist darunter das Depot, das über eine Fuge an den Keller des Museums anschließt. Es darf nicht passieren, dass durch Bauarbeiten im Innenhof diese sensible Stelle undicht wird und Feuchtigkeit eindringt.

Hat das Moderationsverfahren den gewünschten Erfolg gehabt?

Wettingfeld: Erst einmal etwas Grundsätzliches. Ziel eines Moderationsverfahrens ist es, gegensätzliche Positionen und den Diskurs darüber auszuhalten — und damit eine sachliche Note ins Spiel zu bringen. Sonst ist kein politischer Kompromiss zu finden. Im Idealfall können wir darüber Brücken bauen, um über Kompromisse zur Lösung zu finden. Derzeit ist das noch verbesserungswürdig. Wir werden aber nie so weit kommen, dass alle 100 Prozent zufrieden sind.

Was hat sich an dem Abend herauskristallisiert?

Wettingfeld: Es hat sich deutlich gezeigt, womit die Bürger bei der Planung zum Karlsplatz nicht einverstanden sind: Unter anderem mit dem Wegfall der Ampelanlagen, der Verkehrsführung und der Anfahrt der Busse. Durch die Umgestaltung des Ostwalls im Abschnitt der neuen Haltestelle hat der angestrebte sogenannte Shared Space (Anmerkung: die gemeinsame, sichere Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch alle Verkehrsteilnehmer bei reduzierter Geschwindigkeit) einen schlechten Charakter gekriegt. Statt wie dort mit 10 km/h funktioniert das doch auch mit 20 km/h, wie beispielsweise in Ulm oder Duisburg.

Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Wettingfeld: Eine kleine Mehrheit der Anwesenden war für eine Verkehrsberuhigung, wenn es auf der östlichen Platzseite künftig zwei Fahrspuren gibt.

Welche Entscheidungsgrundlagen fehlen Ihnen bislang, um über weitere Plätze oder Platzumgestaltungen abstimmen zu können?

Wettingfeld: Zunächst ein neues Verkehrsführungskonzept. Darüber hinaus brauchen wir jedoch auch eine Nachjustierung des Einzelhandelsgutachtens von Junker & Kruse und des Handlungskonzeptes Südliche Innenstadt.

Muss man ab jetzt häufiger damit rechnen, dass die CDU Beschlüsse per Einspruch wieder kippt?

Wettingfeld: Nein, das ist eine besondere Situation gewesen. Für mich gilt, sich im Vorhinein so zu verhalten, dass es nicht mehr zu solch einer Situation kommt. Ich habe in diesem Fall die Reißleine gezogen. Wenn wir gut sind, und — wie im Planungsausschuss angesprochen — künftig vor einer Planung alle Beteiligten im Rahmen eines Moderationsverfahrens mit einbeziehen, ist dieses Mittel für nächste Projekte in Krefeld nicht mehr erforderlich.

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