Jedes vierte Kind lebt von Hartz IV

Krefeld liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Krefeld. Immer mehr Kinder und Jugendliche in Krefeld sind auf Hartz IV oder andere staatliche Transferleistungen angewiesen. Lebten im August 2009 noch 11 324 Menschen unter 25 Jahren in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, waren es im August 2010 bereits 11.603. Betroffen sind rund 19,8 Prozent dieser Altersgruppe.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Krefeld hat bereits im vergangenen Frühjahr auf die alarmierenden Zahlen hingewiesen. Betrachtet man nur die unter 15-Jährigen, ist sogar fast jedes vierte Kind in Krefeld auf Sozialleistungen angewiesen: 22,5 Prozent waren es im Dezember 2009, deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt von 15,9 Prozent.

„Bei uns ist fast ein Viertel aller Fälle auf Sozialleistungen angewiesen“, sagt Jan Wolf von der evangelischen Beratungsstelle. Zwar sei Armut im Vergleich zu anderen Ländern ein relativer Begriff. „Aber es gibt immer mehr Kinder, die massiv leiden.“ Das Gefühl, nicht mithalten zu können, führe bei vielen zu einer alltäglichen Kränkung. Das Selbstwertgefühl sinke. Auch die Beziehung zu den Eltern werde durch finanzielle Not belastet: „Es kann sein, dass Kinder sich fragen, warum ausgerechnet ihre Eltern wenig Geld haben, während es anderen in der Klasse viel besser geht.“

Für Wolf gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Problemen und Konflikten in der Familie. „Wer etwa arbeitslos und in materieller Not ist, steht unter Stress“, sagt er. „Klar, dass sich das auf die familiäre Situation auswirkt.“

Die psychologische Beratung der Diakonie Krefeld-Viersen verfolgt aus diesem Grund einen familienorientierten Ansatz. Ernst-Hermann Eckes, Beauftragter für Kinderarmut, hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie Jan Wolf: „Viele Kinder und Jugendliche in ärmeren Familien fühlen sich zurückgesetzt und vereinsamen, weil es an der aktiven sozialen Teilhabe hapert.“ Hinzu kämen häufig Schulden, etwa durch Handyrechnungen.

„Deshalb haben wir im Herbst des vergangenen Jahres den ,Runden Tisch gegen Kinderarmut’ gegründet“, sagt Eckes. Dort kommen Krefelder Institutionen zusammen — aus Politik, Kultur und Medizin. „Wir wollen eine Bestandsaufnahme machen“, erklärt Eckes. „Was tut Krefeld gegen Kinderarmut, und was kann man noch verbessern?“

Dass das Thema Vorrang genießt, fordert auch der DGB. „Wir müssen alles daran setzen, für Kinder und Familien ein breites Angebot zu organisieren“, sagt der Kreisvorsitzende Ralf Köpke. „Wir müssen sie aus der Armutsfalle hinausführen.“

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