Weisser Ring Interview: "Opfer leiden Jahre unter sexuellen Übergriffen"

Bettina Lindgens (Weisser Ring) spricht über die hohe Hemmschwelle, eine Strafanzeige zu stellen.

Weisser Ring: Interview: "Opfer leiden Jahre unter sexuellen Übergriffen"
Foto: D. Jochmann

Krefeld. Jedes Jahr wenden sich hunderte Betroffene an die Opferhilfe Weisser Ring in Krefeld. Die Vereinsvorsitzende Bettina Lindgens versucht, mit ihren elf ehrenamtlichen Mitarbeitern die benötigte Hilfe zu koordinieren. Ob häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe oder der Einbruch in den eigenen vier Wänden — Betroffene haben mit den schwerwiegenden Folgen eines Verbrechens oft auch noch Jahre nach der Tat zu kämpfen. Die Hemmschwelle sei aufseiten der Betroffenen aber auch bei Sexualstraftaten besonders hoch.

Frau Lindgens, wie hoch ist die Anzahl der Opfer von sexuellen Übergriffen, die Sie pro Jahr betreuen?

Bettina Lindgens: Im vergangenen Jahr haben wir in 74 Fällen Opfer von sexueller Gewalt betreut. Die Vorjahreszahlen lagen etwas darunter.

Woran könnte das liegen?

Lindgens: Ich denke, es liegt möglicherweise daran, dass die Hemmschwelle, eine Strafanzeige zu stellen, größer geworden ist. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.

Wie häufig gibt es sexuelle Übergriffe auch im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt?

Lindgens: Sehr häufig ist die sexuelle Gewaltkomponente auch bei häuslicher Gewalt festzustellen, beides liegt sehr nahe beieinander. Auch hier ist die Hemmschwelle sehr hoch, weil die Opfer sehr lange aushalten, an der Familie festhalten und häufig aus wirtschaftlichen Gründen keine Alternative sehen.

Was sind die Folgen?

Lindgens: Das Selbstbewusstsein sinkt immer mehr und oft wird man erst tätig, wenn die Täter auch bei den Kindern übergriffig werden.

Wie sehr leiden die Opfer unter den Übergriffen?

Lindgens: Die Opfer leiden mitunter Jahre unter den sexuellen Übergriffen. Oft macht sich das aber auch erst nach Jahren bemerkbar, man verdrängt zunächst gerne. Später können die schrecklichen Ereignisse Traumata auslösen.

Wie genau helfen Sie den Opfern?

Lindgens: Wichtig ist meist die Vermittlung von Rechtsberatung und oft die notwendige psychologische Unterstützung. Des Weiteren gibt es immer einen Weg — auch bei wirtschaftlicher Not. Das Hilfenetzwerk in Krefeld funktioniert optimal.

Können Sie feststellen, dass es vermehrt sexuelle Übergriffe von Zuwanderern gibt?

Lindgens: Nein, dass es vermehrt sexuelle Übergriffe von Zuwanderern gibt, kann ich nicht feststellen.

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