Industrie: Stadt soll Kräfte bündeln

Gewerkschafter und Unternehmer ziehen an einem Strang, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Der sei besser als sein Image. Aber es fehle ein Wirtschafts-Koordinator.

Krefeld. Detlev G. Moritz und Ralf Köpke könnten sich gegenüberstehen. Der eine als Unternehmenschef, dem Portemonnaie verpflichtet, der Firma seiner Großväter. Der andere als Chef des Deutschen Gewerschaftsbundes (DGB) im Kampf um Arbeitsplätze und gerechte Löhne. Tun sie aber nicht. Moritz und Köpke, der Manager und der Gewerkschafter, sind Sprecher der Initiative Zukunft durch Industrie (ZDI).

Sie sind ein ziemlich erfolgreiches Team. Gerade ist Krefeld vom Bundeswirtschaftsministerium zur vorbildlichen Modellregion ernannt worden. Moritz und Köpke wollen mehr. Sie kritisieren tarifuntreue Unternehmen und fordern eine Koordinierungsstelle bei der Stadt.

Moritz, bei dem das G. im Namen für Günther steht, redet ziemlich gerade heraus. Er beschäftigt 630 Mitarbeiter in seiner Gemo GmbH & Co KG, überall in der Welt. 85 davon in Bockum. Hier ist die Zentrale, hier wird auch produziert, hier sitzt das Qualitätsmanagement.

40 Prozent aller Schiebedächer der Welt werden von der Gemo geöffnet. Kunden aus der Region hat der Hersteller von Antriebswellen keine. Doch Moritz fühlt sich verpflichtet, sagt er. Dem Standort Krefeld und damit seiner eigenen Zukunft und der seiner Mitarbeiter. „Ich kann hier rumsitzen und jammern, ich kann aber auch für den Ruf der Industrie in Krefeld kämpfen. Dieser Standort hat eine große Historie, eine Menge Potenzial und ist auch heute viel besser, als viele ihn reden wollen. Sowas ärgert mich.“

„Zukunft durch Industrie“, vor gut acht Jahren angestoßen auf Initiative von Ralf Köpke und dem damaligen Chemiepark-Leiter Stefan Dresely unter Federführung der IHK, zählt mittlerweile 30 Unternehmen in der Region Krefeld, davon ist gut ein Drittel aktiv. „Keine Lobbyveranstaltung für Industrie“, behauptet Moritz. Aber schon so etwas wie ein Image-Motor. Schließlich soll es bei dieser ehrenamtlichen Tätigkeit vor allem darum gehen, Industrie erlebbar zu machen. Sie auf Augenhöhe mit allen Betroffenen zu diskutieren. Am besten mit den direkten Anwohnern.

Das sei zuletzt bei Siempelkamp-Störfällen gut gelungen oder beim Compo-Brand. „Wir müssen in der Bevölkerung für das offene Gespräch werben und damit für die Rolle der Industrie. Sie ist ungeheuer wichtig, aber wenn ,die da oben’ irgendwelche Planungen durchsetzen und die Bürger müssen es aushalten, das funktioniert nicht mehr. Es geht um die Akzeptanz der Leute.“

Zukunft durch Industrie definiert sich insbesondere über das gemeinsame Ziel. Zwischendrin klingt Moritz wie ein Gewerkschafter — und man glaubt es ihm. „Die Zeiten des Klassenkampfes sind vorbei. Die Tarifautonomie haben beide Seiten nach vorne gebracht. Leider gibt es in unserer Branche Ausreißer, die sich demokratischen Strukturen verweigern.“ IHK, Unternehmerschaft, Gewerkschaften, sie alle säßen am Ende in einem Boot. „Es geht doch um Arbeitsplätze, das bringt uns zusammen.“

Sprecher-Kollege Köpke liefert im Gegenzug die Zahlen: „Die Industrie ist nach wie vor das Herzstück der Wertschöpfung, allein der Chemiepark bringt 250 Millionen Euro Kaufkraft. Die Industrie hält in der Region immer noch 23 000 Arbeitsplätze, 27 Prozent aller 86 000 werktätigen Krefelder haben hier einen zumeist ordentlich bezahlten Job.“ In den vergangenen fünf Jahre seien allerdings 2500 Jobs verloren gegangen.

Diese Themen trägt die Initiative seit Jahren in den Bürgerdialog, stemmt Film- und Fotoveranstaltungen, organisiert Schluff-Fahrten zum Kennenlernen, pflegt Kontakte zur Hochschule und weiterführenden Schulen. Leidenschaftlich genug, um sich Modellregion nennen zu dürfen, eine von sechs in Deutschland. Beide sagen: „Unser Standort steht im Wettbewerb um Arbeitsplätze und die besten Köpfe.“ Sie begrüßen ausdrücklich den Plan der Krefelder Wirtschaftsförderung, in 2017 Unternehmen zu befähigen, Fachkräfte effektiver nach Krefeld zu locken.

Es gebe in Krefeld viele Menschen, die das erkannt hätten und mithelfen wollten, den Standort zu fördern. „Leider fehlt eine Stelle bei der Stadt, die diese Potenziale bündelt, das können wir ehrenamtlich nicht leisten“, sagt Moritz. Köpke verweist auf Hansgeorg Rehbein als Vorbild. Ehe der Flüchtlingskoordinator angetreten war, arbeiteten viele Kräfte nebeneinander. „Wir haben Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, aber keine Instanz, die Wirtschaftskraft wirklich koordiniert.“

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