Hunderte Ganztagsplätze fehlen

Alleinerziehend und kein Betreuungsplatz fürs Kind: Patricia Jansen ist in Krefeld kein Einzelfall. Die Stadt schneidet im Vergleich schlecht ab.

Patricia Jansen ist alleinerziehende Mutter, sie ist Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten und für das neue Schuljahr verzweifelt auf der Suche nach einem Platz im Offenen Ganztag (OGS) für ihren acht Jahre alten Sohn Leon. Damit ist die 28-Jährige kein Einzelfall in Krefeld: „Legt man die Bedarfsmeldungen der Schulen für das Schuljahr 2018/19 zugrunde, werden inzwischen 501 zusätzliche Plätze benötigt“ heißt es in einem Sachstandsbericht der Verwaltung von Februar. Mit einer Versorgungsquote von knapp 37 Prozent steht Krefeld im Landesschnitt ziemlich schlecht da — der liegt bei 43 Prozent.

Hunderte Ganztagsplätze fehlen
Foto: dpa

Bei ebendiesen 43 Prozent liegt auch der Betreuungsbedarf an OGS-Plätzen, den man in einer stichprobenartigen Umfrage für den Stadtteil Fischeln ermittelt habe, wie Markus Schön erklärt. Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als „die Vereinbarkeit von Familie und Beruf — und das bei bestmöglicher Förderung von Kindern und Jugendlichen über den Tag“, sagt der Bildungsdezernent.

Patricia Jansen, alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Sohnes

Auch die Krefelder CDU hat sich das Thema auf die Agenda geschrieben. Denn gerade im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule komme es häufig zu Problemen. „Während ein Kind im Kindergarten bis 16 Uhr oder länger betreut wird, enden die Grundschulen teilweise um 13 Uhr“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Es darf nicht sein, dass einzelne Eltern plötzlich ihren Beruf aufgeben müssen, nur weil wir keinen OGS-Platz für ihr Kind haben. Diese steigende Nachfrage müssen wir bedienen“, mahnt die schulpolitische Sprecherin der CDU, Stefanie Neukirchner. Zum nach den Sommerferien beginnenden Schuljahr gibt es 3100 Betreuungsplätze im Offenen Ganztag an den Grundschulen im Stadtgebiet.

Zu wenig, das sagt auch Bildungsdezernent Schön. Für ihn ist das Thema OGS eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre: „Dass der Mangel an Ganztags-Plätzen ein Riesenproblem in Krefeld ist, ist unstreitig.“ Konkrete Zahlen kann er nicht benennen, zieht aber einen Vergleich: Städte wie Köln oder Düsseldorf haben demnach eine Bedarfsdeckung von 60 Prozent. „Ich denke, dass wir uns im gesamtstädtischen Schnitt auch in diese Richtung entwickeln müssen“, betont Schön. „Was das in Gruppen- und Platzzahlen heißt, müssen wir als Verwaltung in den nächsten Wochen und Monaten erarbeiten und der Politik zur Beratung vorlegen“ — so das Ergebnis einer aktuellen Klausurtagung von Schulamt, der Fachbereiche Schule und Jugendhilfe sowie der freien Träger.

Patricia Jansen und anderen betroffenen Eltern hilft das für den Moment nicht. Allein an der Geschwister-Scholl-Schule in Oppum fehlten „rund 50 Plätze“, dieses Gerücht halte sich in der Elternschaft, erzählt die alleinerziehende Mutter. Seitens der Schule möchte man diese Zahlen auf Anfrage der WZ nicht bestätigen. Vom Schulamt heißt es aber: An der Oppumer Grundschule habe es Anfang des Jahres 135 Bedarfsmeldungen für 100 Plätze (davon 50 im Offenen Ganztag inklusive Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung bis 16 Uhr und 50 Betreuungsplätze bis 14 Uhr) gegeben. Diese werden zum nächsten Schuljahr nach den Sommerferien um zwölf Plätze erweitert. „Natürlich kann auch der Bedarf in der Zwischenzeit durch Zuzüge gestiegen sein“, erklärt eine Mitarbeiterin beim Schulamt.

Für Patricia Jansen und ihren achtjährigen Sohn bedeutet das: weiter Hoffen und Bangen. „Seit mein Sohn eineinhalb Jahre alt ist, gehe ich arbeiten. Das ist jetzt meine zweite Ausbildung und die Chance auf einen festen Job“, sagt sie. Aktuell habe sie nur die Zusage auf einen Betreuungsplatz für Leon bis 14 Uhr. Das helfe ihr bei Arbeitszeiten bis mindestens 16.30 Uhr aber kaum weiter. „Wenn meine Eltern mich nicht unterstützen würden und meinen Sohn nach der Schule abholen, wenn ich es nicht schaffe, müsste ich kündigen. Ich möchte meinem Kind aber vorleben, dass es wichtig ist, arbeiten zu gehen.“

Mit ihren Eltern als Stütze im Hintergrund sei sie in einer komfortablen Situation, dafür ist Patricia Jansen dankbar. „Es gibt aber auch Eltern, die sind beide berufstätig und haben keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder bekommen — die haben vielleicht nicht dieselbe Hilfe wie ich. Es geht um das Problem an sich.“ Der Schule wolle sie wegen der Absage keinen Vorwurf machen, „da tut man für uns, was man kann. Die Schulleitung tut mir richtig leid, die bekommt jetzt den ganzen Ärger ab für das, was die Stadt seit Jahren verbockt.“

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