Colonia Dignidad Hopp: Opfer sind empört

Die Aussagen des ehemaligen Krankenhausleiters der Sektengemeinde Colonia Dignidad lösen weltweit Reaktionen aus.

Krefeld. Hopp und kein Ende. Das Exklusiv-Interview der WZ mit dem ehemaligen Krankenhausdirektor der Foltersekte Colonia Dignidad hat Empörung über den gesamten Erdball ausgelöst. Natürlich auch hier, vor Ort, in Krefeld, wo der Justizflüchtling bis heute unbehelligt lebt. Aber auch in Berlin und nicht zuletzt in Südamerika lassen die Aussagen Hopps die Menschen fassungslos bis wütend zurück. Das Nachrichtenportal amerika21, das sich seit Jahren intensiv mit den Verbrechen in der Colonia Dignidad beschäftigt, hat in den letzten Tagen viele Experten-Stimmen zu Hopps Behauptungen und Rechtfertigungen eingeholt.

Colonia Dignidad: Hopp: Opfer sind empört
Foto: dpa/Jochmann

Vor allem die Vertreter der Opfer sind schockiert. So betont Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf, die mehrere Opfer der Colonia Dignidad vertritt, gegenüber amerika21 die herausragende Rolle, die Hopp in der unheilvollen Siedlung nach Schilderungen von Zeugen und Opfern gespielt haben soll: „Hopp war Vertrauensmann von Sektenchef Paul Schäfer: Er ist unter anderem nach St. Kitts gereist und hat dort für ihn und seine Adoptivtochter Rebeca Pässe auf falsche Namen besorgt und ein Immobiliengeschäft über zigtausend Dollar abgewickelt. Schäfer hat ihn 1988 in den Bundestagsunterausschuss geschickt, als Vertreter, wo er alle Vorwürfe gegen die Colonia Dignidad unter Beleidigungen gegen die Opfer abgestritten hat.“

Schlagenhauf bezieht sich außerdem auf Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters des Geheimdienstes Dina, in dessen Auftrag die Sekte gefoltert und getötet haben soll. Demzufolge hatte Hopp „höchste Zugangsstufe“ zu Geheimdienstchef Manuel Contreras. Andreas Schüller von der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation ECCHR („European Center for Constitutional and Human Rights“), deren Dossier Hopp im WZ-Interview als „reine Phantasie“ bezeichnet hat, beschreibt gegenüber amerika21 eine durchschaubare Strategie: „Hopp versucht seine Rolle in der Colonia Dignidad im Allgemeinen und bei den Menschenrechtsverbrechen im Besonderen herunterzuspielen und damit die Schuld von sich zu weisen.“

Ähnlich urteilt Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile Lateinamerika über die Stellungnahme Hopps: „Was Hopp kurz vor der Verkündung des Beschlusses des Landgerichts Krefeld über die Haftvollstreckung verkündet, ist haltlos und ein verzweifelter Versuch, seinen Haftantritt abzuwenden. Sich selbst als ahnungslos und Paul Schäfer als den alleinigen Täter der Colonia Dignidad darzustellen, ist lächerlich und stellt einen erneuten Schlag ins Gesicht seiner vielen Opfer dar. Diese erwarten von Hopp nur eins: die Wahrheit.“ Und in der dürfe der 72-Jährige nicht das Unschuldslamm spielen.

Derweil lebt Hartmut Hopp in Krefeld sein Leben, skyped regelmäßig mit seinem Bruder Udo, der immer noch in Chile auf dem Gelände der Colonia Dignidad wohnt, das sich heute Villa Baviera nennt. Mindestens 14 weitere ehemalige Bewohner der Kolonie haben sich in Krefeld niedergelassen, andere in Gronau, viele in der Eifel. In Krefeld hat das Gros eine neue religiöse Heimat in der Freien Volksmission von Ewald Frank gefunden. Der Spiegel schrieb bereits 2005 über den Colonia-Aussteiger Klaus Schnellenkamp: „Mit Sorge sieht er, wie seine Eltern und Geschwister schon wieder einem Wanderprediger zuhören, der neuerdings regelmäßig in der Villa Baviera vorbeischaut. Wie einst Schäfer, beschwört auch Missionar Ewald Frank aus Krefeld finstere Visionen vom Weltuntergang.“ Hopp selbst bezeichnet seine Beziehung zur Volksmission in Krefeld als „seine Privatsache“.

Menschenrechtler Schüller schließt sich derweil der Forderung von ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck nach juristischen Konsequenzen für Hopp in Deutschland an, die er dieser Tage im Gespräch mit der WZ erhob: „Die Staatsanwaltschaft Krefeld ist weiterhin aufgefordert, die Kollaboration mit Pinochet-Diktaturverbrechen zu ermitteln. Es gibt genug Zeugen, die in Deutschland und Chile zu Aussagen bereit sind.“ Damit meint Schüller nicht nur die Vollstreckung des chilenischen Urteils wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch an Kindern, sondern die Ermittlungen wegen Mordes an verschwundenen Studenten, die in Krefeld außerdem gegen Hopp geführt werden.

Erst im Dezember wurden in Chile drei Colonia-Mitglieder und zwei ehemalige Agenten des Geheimdienstes Dina letztinstanzlich schuldig gesprochen. Darunter auch Kurt Schnellenkamp, Vater des Aussteigers Klaus, und seinerzeit gemeinsam mit Justizflüchtling Hartmut Hopp angeklagt. Amerika21 berichtet am Silvestertag von dem Urteil.

Demnach sagt Myrna Troncoso von der Angehörigenorganisation der Verschwundenen (AFDD): „Dies ist ein immens wichtiges Urteil, das leider sehr spät kommt. Die chilenische Justiz hat bislang nur die Spitze des Eisbergs der Verbrechen der Colonia Dignidad untersucht und bis heute kennen wir noch nicht einmal die Namen derjenigen, die in der Colonia Dignidad ermordet wurden.“ Und Rechtsanwalt Hernán Fernández, der seit zwanzig Jahren Opfer der Colonia Dignidad vertritt, fügt an: „Dutzende Verbrechen der Colonia Dignidad wurden bis heute nicht untersucht. Alle Taten müssen von der chilenischen und deutschen Justiz aufgeklärt und die Verantwortlichen bestraft werden. Dass Täter wie Hartmut Hopp heute in Deutschland straflos leben, ist ein Skandal. Wir erwarten, dass auch die deutsche Justiz endlich ernsthaft ermittelt.“

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