Ende des Zweiten Weltkriegs Heute ist der Tag der Rettung

Heute vor 73 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die WZ sprach mit Michael Gilad von der Jüdischen Gemeinde über dieses besondere Datum.

Über 1200 Namen stehen auf den Leuchttafeln in der Synagoge an der Wiedstraße. An der Wand daneben hängt ein Wandteppich. 650 Namen wurden von Schülern auf den Stoff gestickt. Es sind die Namen von jüdischen Menschen aus Krefeld und der Umgebung, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren haben. Für sie alle kam die Befreiung vom Nationalsozialismus zu spät.

Heute vor 73 Jahren kapitulierte die Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg war in Europa offiziell beendet. Wenn Michael Gilad darüber nachdenkt, ist der heutige Tag für ihn, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, kein Tag, den es zu feiern gilt. „Aber ich spüre Erleichterung, wenn ich an diesen Tag denke. Der 8. Mai 1945 war eine Rettung für viele — auch für meine Eltern.“

Gilad findet Campinos Verhalten bei der Echo-Verleihung ehrenwert Gilads Mutter überlebte den Untergang der Cap Arcona am 3. Mai 1945 knapp. Sein Vater wurde gleichzeitig bei der Flucht aus dem Konzentrationslager schwer verletzt. Beide wurden in ein Krankenhaus in Neustadt/Holstein eingeliefert und lernten sich dort kennen. „Sie waren beide ausgezerrt, meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt auch noch sehr krank. Die Befreiung hätte nicht später kommen dürfen, sonst hätten sie es nicht geschafft“, sagt der 71-Jährige.

73 Jahre nach dem Tag, der das Leben seiner Eltern rettete, ist das Thema Antisemitismus für die Jüdische Gemeinde aktueller denn je. Anfeindungen gegenüber Juden seien wieder salonfähig geworden. Die Beispiele würden von simplen Drohungen bis hin zu Schändungen von Mahnmalen und Übergriffen, die deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hatten, reichen.

Vergangene Woche war zudem noch ein Gedenkstein, der an das Schicksal der Jüdin Elisabeth Erdtmann erinnerte, an der Uerdinger Straße entwendet worden. „Und dann die Sache mit dem Echo“, erzählt Gilad. „Ich finde es ehrenwert, was Campino (Die Toten Hosen, Anm. d. Red.) an diesem Abend gemacht hat. Noch besser hätte ich es gefunden, er hätte seinen Preis einfach stehenlassen und ihn nicht angenommen.“ Über die Texte des umstrittenen Musikerduos Farid Bang und Kollegah sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde: „Solche Vergleiche mit den Opfern von Konzentrationslagern sind abscheulich und menschenverachtend.“

Längst sind die Diskussionen über die aktuellen Vorfälle zum Thema geworden unter den Gemeindemitgliedern. „Ich habe keine Angst, aber natürlich reden wir darüber. Die Verunsicherung ist da. Viele wollen sich nicht mit der Kippa auf der Straße zeigen.“ Die Gespräche würden helfen, gegenseitige Unterstützung auch. Im engen Austausch steht die Gemeinde dabei schon seit Jahren mit der Polizei. Wie genau das Gemeindezentrum an der Wiedstraße geschützt wird, wollen beide Seiten nicht preisgeben. Polizeisprecher Daniel Uebber erklärt: „Zur Gewährleistung der Sicherheit der jüdischen Gemeinde und ihrer Besucher werden bauliche, organisatorische und personelle Schutzmaßnahmen durchgeführt.“

Erkenntnisse, dass die Anzahl der antisemitisch motivierten Straftaten in Krefeld in den vergangenen Jahren gestiegen sind, haben die Beamten aber nicht. „Dazu gibt es in Krefeld keine Anhaltspunkte. Im vergangenen Jahr 2017 zählte die Polizei Krefeld insgesamt acht antisemitische Straftaten, davon fünf Volksverhetzungen und drei Verstöße wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen.“

Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen gab es 2017 insgesamt 324 Straftaten, die auf antisemitische Motive zurückzuführen waren.

Laut Polizei sei auch die Gesamtzahl der politisch motivierten Delikte in Krefeld in den vergangenen Jahren gleich geblieben. In der Polizeistatistik für das vergangene Jahr sind 50 politisch motivierte Straftaten verzeichnet. Darunter vier Gewaltdelikte. „Eine besondere Entwicklung ist dabei aber nicht erkennbar“, so der Polizeisprecher.

Zahlen sind das eine, das eigene Empfinden das andere. „Ich würde mir wünschen, wir könnten uns in Zukunft über andere Dinge unterhalten. Wir sind in Krefeld auf einem guten Weg und müssen den Dialog weiter fördern“, sagt Michael Gilad.

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