Heimatlos und alleingelassen – wie sich Russlanddeutsche fühlen

Die Situation für Spätaussiedler ist schwierig. Sie haben zu geringe Deutschkenntnisse, vermissen Anerkennung und Ansprechpartner.

Krefeld. Berufskraftfahrer Viktor Huber (47) aus Kasachstan lebt mit Ehefrau und studierender Tochter seit sechs Jahren in Krefeld. Trotz seiner mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Bus- und Lkw-Fahrer musste er eine 16-monatige theoretische Grundschulung und eine halbjährige Fahrpraxis absolvieren, was einer neuen Führerscheinprüfung entspricht.

"Bei der Theorie war vieles im Vergleich zur russischen Ausbildung neu und wissenswert, z.B. Speditionskenntnisse wie Zoll- und Dokumentenabwicklung oder Transportregeln", gesteht er. Aber vor allem bei der Praxis hätte auch ein Training in komprimierter Form ausgereicht.

"Leider werden erfahrene Berufspraktiker mitunter behandelt wie Anfänger", würde sich Heinrich Neugebauer vom Bund der Vertriebenen (BdV) mehr Anerkennung vorhandener Erfahrung wünschen (siehe Infokasten). "Alle Bewerbungsbriefe und Vorstellungsgespräche bei Speditionen waren bisher erfolglos", bedauert Huber und hofft inständig auf eine Zusage beim bevorstehenden nächsten Termin.

"Erfahrene Berufspraktiker werden behandelt wie Anfänger."

Heinrich Neugebauer, Bund der Vetriebenen

Auch Marina Dippel (38) kommt aus Kasachstan. Sie wohnt mit ihren zwei Söhnen seit dreieinhalb Jahren in Krefeld. Der gelernten Medizinisch-Technischen Assistentin (MTA) mit 16 Jahren Berufserfahrung machen ihre mangelnden Deutschkenntnisse zu schaffen: "Ich würde gerne richtig fließend Deutsch lernen und weiß nicht wo und wie", beteuert sie.

Die Qualität des Sprachunterrichts innerhalb des Integrationskurses sei nicht ausreichend, klagt sie unisono mit ihren befragten Leidensgenossen.

Weil sie den Sprachtest beim Gesundheitsamt nicht bestanden hat, bekommt sie keinen Praktikumsplatz, keinen anschließenden Prüfungstermin und damit keine Anerkennung als MTA - ein Teufelskreis. Angebotene Alternative: Eine Arbeit als Pflegekraft in einem Seniorenheim. Noch will sie von ihrem Traum als Fachkraft aber nicht ablassen und denkt über den Besuch einer Berufsschule nach - Ende offen.

Elena Sisikov (43) aus Kasachstan ist Fachärztin für Endokrinologie (Diagnostik und Wissenschaft) mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Sie ist vor vier Jahren mit ihrer Tochter und den Eltern nach Krefeld gekommen. Nach dem Integrationskurs und einem fachsprachlichen Kurs bei der Otto-Benecke-Stiftung, die Ergänzungslehrgänge für Akademiker anbietet, hat sie ein einjähriges Praktikum in Krefeld am Klinikum (Dialyse), Cäcilienhospital Hüls (Innere) und bei Maria Hilf (Chirurgie) absolviert.

Nun wartet sie auf die "Gleichwertigkeitsprüfung", um ihre Approbation zu erlangen. "Das Niveau der Ausbildung und der technischen Ausstattung in Deutschland ist höher", gesteht sie Nachholbedarf. Gebüffelt hat sie die deutschen medizinischen Begriffe anhand von Fachliteratur, einen Intensivkurs hat sie jedoch schmerzlich vermisst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort