Gewaltschutz: Wer schlägt, der geht

Polizeipräsident Rainer Furth erklärt das Thema zur Chefsache. In Krefeld gibt es pro Tag zwei Anzeigen wegen häuslicher Gewalt.

Krefeld. Noch in den 90er Jahren war es gängige Praxis: Ein Ehemann oder Lebensgefährte, der seine Frau geschlagen hatte, wurde von Polizeibeamten ermahnt oder schlimmstenfalls zur Ausnüchterung in die Zelle gesteckt. Nach ein paar Stunden war der Schläger wieder frei — und konnte weitermachen. Mit der Einführung des Paragraphen 34 a des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes vor zehn Jahren hat sich das geändert. Nach dem Motto: „Wer schlägt, der geht“, kann der Täter der Wohnung verwiesen werden und gegen ihn ein zunächst maximal auf zehn Tage befristetes Rückkehrverbot verhängt werden.

Das Zehnjährige des Gewaltschutzgesetzes war Anlass für Polizeipräsident Rainer Furth, die Vertreter des Krefelder Netzwerkes gegen häusliche Gewalt ins Präsidium einzuladen. Furth hat den Gewaltschutz zur Chefsache erklärt — und konnte sich über ganz viele Chefs freuen, die an der Fachtagung gestern teilnahmen: von Justiz, Hochschule, Stadtverwaltung. Unter den 90 Gästen aber auch die, die die praktische Arbeit bei freien Trägern leisten.

Dem Krefelder Netzwerk gehören neben den Behörden auch Sozialdienst katholischer Frauen, Sozialdienst katholischer Männer, Frauenberatungsstelle, Kinderschutzbund und Weißer Ring an. Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann kennt das Krefelder Netzwerk und meinte: „Das funktioniert gut“. Stadtdirektorin Beate Zielke in ihrem Grußwort: „Das Gesetz war überfällig“.

In diesen zehn Jahren hat die Krefelder Polizei durchschnittlich zwei Anzeigen pro Tag nach häuslicher Gewalt gefertigt. Kriminalhauptkommissarin Karin Kretzer sieht darin einen Beweis für das Vertrauen der Anrufer in die Polizei. Mit Wohnungsverweisen allerdings gehen die Kollegen sparsamer um als in vergleichbaren Städten: Bei 607 Anzeigen im vergangenen Jahr verteilten die Beamten 168 rote Karten. Die meisten (253) waren 2005 nach 653 Anzeigen fällig. Im Schnitt folgt bei jeder vierten Anzeige ein Wohnungsverweis.

Dreimal seit 2002 endete häusliche Gewalt in Krefeld tödlich für einen Partner, in einem weiteren Fall blieb es beim Versuch. Landesweit sind 320 Menschen in diesen zehn Jahren durch häusliche Gewalt ums Leben gekommen. Wie viele Kinder durch Gewalt in den eigenen vier Wänden traumatisiert wurden, darüber gibt es keine Zahlen.

In Krefeld vermittelt die Polizei die Opfer, überwiegend Frauen, an die Fachberatungsstelle „Häusliche Gewalt“. Seit diese 2007 eingerichtet wurde, sind die Vermittlungszahlen in die Höhe geschnellt. Die Beratungsstelle wird von der Stadt finanziell unterstützt. „Bitte hier nicht nachlassen“, appellierte Hauptkommissarin Kretzer.

Im 2013 liegt der Schwerpunkt der Netzwerk-Arbeit in den Schulen. Die interaktive Ausstellung „Echt Fair“ richtet sich an Schüler ab der fünften Klasse. Dass Schulen und Kindergärten eine besonders wichtige Aufgabe haben, betonte Professorin Claudia Bundschuh von der Hochschule Niederrhein: „Die Kinder brauchen die Information, dass häusliche Gewalt nicht toleriert wird.“ Laut einer Schülerbefragung in Niedersachsen haben zehn Prozent Gewalt daheim schon erlebt — über die Häfte der Kinder häufiger.

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