Gericht zwingt Räuber zum Schulabschluss

Auftakt der Prozess-Serie um „korrekten Abzug“. Bewährung für 17-Jährigen.

Krefeld. Der Junge, noch 17, noch in der achten Hauptschulklasse, schaut leicht bedröppelt in die Runde im Saal 103 des Amtsgerichtes. "Sozialstunden? Was muss ich da tun?" Soeben hat ihn die Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes zu zwei Jahren Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt - und zu 100 Stunden sozialer Arbeit, die mit der Jugendgerichtshilfe abgestimmt wird. "Damit du mal siehst, was Arbeit heißt", sagt ihm die Richterin.

Die außergewöhnliche Bewährungsauflage nach der ersten Hauptverhandlung von gut zwei Dutzend weiteren gegen jugendliche Räuber, Schläger und Diebe meist aus der Krefelder Innenstadt aber ist der pünktliche und regelmäßige Schulbesuch.

Und: Das 17-jährige Raub-Kid muss in einem Berufsgrundschuljahr den Hauptschulabschluss erwerben. "Mal zehn, mal 20 Minuten zu spät zum Unterricht kommen, geht nicht. Wenn dein Bewährungshelfer mir mitteilt, dass das wieder einreißt, dann wird die Bewährung widerrufen und du musst ins Gefängnis. Der Hauptschulabschluss ist auch Voraussetzung für die Bewährung. Das ist deine letzte Chance."

Die Richterin redet dem Jungen weiter ins Gewissen: "Du bist eine Schande für deine Mutter, das ist so in eurem Kulturkreis." Die Mutter weint auf der Zuschauerbank, sie versteht trotz Dolmetscherin nicht alles, und will allein nicht entscheiden, ob sie auf Berufung verzichtet und das Urteil augenblicklich rechtskräftig wird.

Die Familie des somit noch nicht rechtskräftig verurteilten Jungen mit dem schwarzen, tief in den Nacken reichenden Haar und dem schmalen Körper ist 2003 aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Sie ist nur geduldet. Sie gehörte zu einer turkmenischen Minderheit und lebte in einer Stadt 100 Kilometer von Bagdad entfernt.

Die Mutter spricht kaum deutsch, noch nicht mal richtig arabisch, nur turkmenisch. Vergangenes Jahr haben sich die Eltern getrennt. In diesem Desaster kam der 17-Jährige auf die schiefe Bahn. Im November war er mit zwei Dutzend weiteren "Abziehern", die ihr Unwesen in unterschiedlichen Besetzungen meist in der Nähe des Arndt- und des Fichte-Gymnasiums getrieben haben, festgenommen worden.

Zwei Monat saß der Junge in Untersuchungshaft, dann wurde er entlassen. Er gab alle Taten zu, redete keine schön und hat - so die Vorsitzende Richterin - "uns eine Beweisaufnahme von mehreren Wochen erspart".

Dass er bis zu den versuchten Diebstählen, den drei gemeinschaft verübten Raubtaten und der vorsätzlichen Körperverletzung unbescholten war, spielte bei der Bewährungsfrage ebenfalls eine große Rolle. Der Staatsanwalt hatte zwei Jahre ohne Bewährung gefordert. Wir werden den Jungen wiedersehen - als Zeugen in den folgenden "Abzieher-Prozessen."

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