Befragung per Video Gericht: Mit Livestream werden Zeugen in Verhandlung geholt

In besonderen Fällen kann ein Gericht in einem Verfahren eine Befragung per Video anordnen.

Befragung per Video: Gericht: Mit Livestream werden Zeugen in Verhandlung geholt
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Die Zeugin muss noch einmal nachfragen, als Richter Joachim Banke ihr eine ganze Reihe von Namen verschiedener Gewinnspieldienste vorliest. Der Techniker dreht den Lautstärkeregler des Videowürfels in der Mitte des Gerichtssaals 70 noch etwas höher. Dann kann die Vernehmung fortgesetzt werden. Rund 75 Minuten lang wird die Frau von Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern befragt.

Der Angeklagte Georgios B., der als Kopf einer Betrüger-Bande rund 270 000 Menschen um insgesamt 66 Millionen Euro betrogen haben soll, beobachtet die Video-Vernehmung der Zeugin, die in St. Pölten in Österreich an der Seite einer Staatsanwältin sitzt, aufmerksam. Die Aussagen der Zeugin könnten den Angeklagten im so zähen Prozess in Bedrängnis bringen.

Das Problem: Die Frau lebt im Ausland. Oftmals gestaltete sich die Einbestellung von ausländischen Zeugen zu einer Vernehmung schwierig. Die Justiz muss in solchen Fällen gezwungenermaßen auf das Verlesen der Zeugenaussage aus polizeilichen Protokollen zurückgreifen. „Das ist natürlich nicht sonderlich hilfreich, um einen Gesamteindruck von einem Zeugen zu bekommen“, sagt Oberstaatsanwalt Axel Stahl. Die Alternative? Eine Video-Vernehmung via Live-Stream.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Zeugenvernehmung gemäß Paragraf 247a der Strafprozessordnung entweder zuvor als Video aufgezeichnet werden und dann in die Hauptverhandlung eingebracht werden oder aber es erfolgt, wie im geschilderten Fall, eine Direktübertragung des Videosignals in den Gerichtssaal.

Vier Bildschirme, zwei mit Lautsprechern versehene hochauflösende Kameras und im Block jede Menge Technik und Kabel: Wenn im Krefelder Landgericht eine Videovernehmung ansteht, sind vor allem die Techniker gefragt.

Zur Übertragung ist der Videowürfel, der eigens von einer Fachfirma für audiovisuelle Komplettlösungen angefertigt worden ist, an eine ISDN—Verbindung angeschlossen. Andere Video-Kommunikationsprogramme wie etwa „Skype“ sind hingegen aufgrund von Sicherheitsproblemen und einen möglichen Zugriff von außen nicht für die Videovernehmung von Zeugen zugelassen.

„Bei der Video-Vernehmung ist darauf zu achten, dass Gestik und Mimik des Zeugen durch eine funktionierende technisches Umsetzung so authentisch wie möglich übertragen werden“, erklärt Christian Tenhofen, Pressesprecher des Landgerichts Krefeld.

Neben der Befragung im Prozess gegen Georgios B. wurde in der jüngeren Vergangenheit ein Zeuge aus Polen per Video-Übertragung am Krefelder Landgericht befragt. Anwendung kann eine Video-Vernehmung auch in Fällen von körperlicher und sexueller Gewalt finden. „In solchen Fällen könnten Zeugenaussagen durch die Anwesenheit eines Angeklagten verfälscht werden. Deshalb gibt es auch hier die Möglichkeit der Video-Vernehmung“, sagt Tenhofen.

Trotzdem betont Oberstaatsanwalt Axel Stahl: „Mir ist eine Befragung im Gerichtssaal immer lieber. Bei Video-Vernehmungen gibt es häufig nur zwei Perspektiven, das Vollbild und die Halbtotale, die es schwer machen, auch die Körpersprache eines Zeugen zu bewerten.“

Im Verfahren gegen Georgios B. konnte die Zeugin den Angeklagten als geschäftsführendes Mitglied eines Unternehmens identifizieren, das in ihrer ehemaligen Firma Gewinnspiele einkaufte.

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