gastbeitrag

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Pfarrei Papst Johannes XXIII.

Noch keine 100 Tage, aber annähernd so viele, bin ich Neubürger hier in Krefeld. Am 8. Oktober habe ich meinen Dienst als Pfarrer der Pfarrei Papst Johannes XXIII. in der Krefelder City begonnen. Viel war ich seitdem in der Stadt unterwegs, meistens zu Fuß, um etwas mitzubekommen von dem, wie die Stadt tickt und etwas von ihrer Atmosphäre aufzunehmen. Ganz unterschiedlichen Menschen bin ich dabei begegnet, geplant oder zufällig.

Da war die ältere Dame, die ich zu ihrem 90. Geburtstag besuchte. Sie könnte dem Bilderbuch einer Familie von Seidenbaronen entstiegen sein, gebildet und von eleganter Vornehmheit empfing sie mich in ihrem kultivierten Ambiente. Sie sagte, dass die Stadt ihr fremd geworden sei. Dazu im Kontrast der Besuch bei einem Mann derselben Generation, der in bescheidenen Wohnverhältnissen von der Grundsicherung lebt. Sein kleiner Hund ist sein bester Freund. Er strahlt Lebensfreude aus. „Ich komme zurecht“, sagt er.

Zwischen beiden Existenzweisen liegen keine 200 Meter. Schade — denke ich —, dass sie sich fremd sind und wohl auch bleiben werden.

Eine Stadt der Kontraste. Baumbestandene Alleenstraßen, schön gestaltete Plätze, eingefasst von ansehnlich renovierten alten Bürgerhäusern lassen die Schönheit und den Glanz einstiger Größe und Bedeutung erkennen. Daneben Häuserzeilen mit zerbröckelnden Fassaden, Wohnungsleerstände und Straßenbeläge, die selbst modernen Stoßdämpfern das Äußerste abverlangen. Wohnquartiere, in denen Nachbarschaft noch gelebt wird, neben dem Geschäftsviertel, in dem über den adventlich glänzenden Schaufenstern die verborgene und vergessene Armut und Einsamkeit wohnen.

Ein besonderer Lichtblick darin: der Kurde muslimischen Glaubens, der seinen alten deutschen Wohnungsnachbarn auf dessen einsamem Weg zur Bestattung seiner verstorbenen Frau begleitet und das — wie er mir sagt — für ihn Ehrensache ist. Ihm gehört meine Hochachtung! Die Begebenheit zeigt mir, dass gelebte Menschlichkeit über allem Trennenden steht und es zu überwinden hilft.

Beeindruckt bin ich vom ausdifferenzierten Netzwerk sozialer Unterstützungssysteme in der Stadt. Beispielhaft nenne ich das Hospiz am Blumenplatz. Es hat mir gut getan, wie dort Mitarbeiter im Haupt- und Ehrenamt über ihre „Gäste“ sprachen. Ich habe mir gedacht: So möchtest du selber einmal auf deinem letzten Wegstück begleitet werden. Besucht habe ich das Kinderheim Marianum. Vor 262 Jahren als kirchliche Stiftung gegründet, mit dem erklärten Ziel, sich für die Schwächsten stark zu machen. Ich habe mich überzeugen können, dass diese Idee bis heute in denen brennt, die jetzt dort Verantwortung tragen. Ein Glück für unsere Stadt.

Im Arbeitslosenzentrum in ökumenischer Trägerschaft treffe ich auf kantige Männer und Frauen. Ich frage sie, was sie motiviert, sich vor allem für langzeitarbeitslose Menschen einzusetzen. Sie sagen: „Zu sehen, wie ein von Arbeitslosigkeit Betroffener bis in die Körpersprache hinein niedergedrückt zu uns kommt und nach dem Besuch aufrecht und erhobenen Hauptes fortgeht, ist Motivation satt und immer neu ein kleines Fest der Auferstehung.“ Die Menschen dort sind nicht immer bequem in ihrem anwaltschaftlichen Engagement, aber gerade deswegen unverzichtbar.

Das Beschriebene ist nur ein Ausschnitt dessen, was mir in diesen ersten Wochen begegnet ist. Der Reichtum der Stadt sind die Menschen, die sich in die kontrastreiche Vielfalt einschwingen mit ihrer Menschlichkeit. Ohne sie kann ein Gemeinwesen nicht existieren.

Zum bevorstehenden Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel wünsche ich der Stadt und ihren Menschen Segen. Den Segen des Kindes von Betlehem, in dem Gott sich uns anvertraut, damit wir uns stark machen für die Schwäch- sten.

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