Ex-Colonia Dignidad Sektenarzt: Viel Lärm um ein angebliches Auslieferungsersuchen

Krefeld. Anfang Mai hat er sich aus Angst vor einer fünfjährigen Haftstrafe wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch von Chile über Argentinien und Brasilien nach Deutschland abgesetzt — Hartmut H., ehemaliger Arzt und Funktionär der berüchtigten deutschen „Colonia Dignidad“.

Immer wieder — auch am Mittwoch noch — verbreiten internationale Nachrichtenagenturen, dass die chilenische Justiz die Auslieferung des 67-Jährigen Neu-Krefelders verlangt.

Doch bislang ist beim zuständigen Auswärtigen Amt (AA) in Berlin nicht ein einziges Schreiben der chilenischen Justiz eingegangen. Und selbstverständlich haben auch die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf und der seit August ermittelnde Krefelder Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber kein Auslieferungsersuchen auf dem Tisch — letzterer lediglich Anzeigen und Akten von Privatklägern, Anwälten und einer Menschenrechtsorganisation (die WZ berichtete).

AA-Sprecher John Reyels zeigt sich verwundert darüber, dass möglicherweise bloße Absichtserklärungen der chilenischen Justiz über Medien kommuniziert werden. Regelrecht verblüfft war Reyels über die Nachricht, der Oberste Gerichtshof in Santiago de Chile werde Deutschland bitten, H. „im Einklang mit der Konvention von Havanna“ auszuliefern, die bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelte.

„Diese Konvention von 1928 sieht vor, dass andere Staaten verurteilten Straftätern kein Asyl gewähren dürfen. Deutschland hat dieses Abkommen nie unterzeichnet.“ Es gelte nur für den südamerikanischen Raum.

Einem deutschen Staatsangehörigen könne in Deutschland auch kein Asyl gewährt werden.“ Der AA-Sprecher betont nochmals, dass der im Mai über Interpol erwirkte internationale Haftbefehl wirkungslos sei.

„Auslieferungen gibt es nur innerhalb der EU, wenn ein europäischer Haftbefehl vorliegt.“ Angesichts der klaren Rechtslage wird der ehemalige Sektenarzt wohl noch sehr lange unbehelligt durch Krefeld spazieren können.

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