Ertürk ordnet Miet-Vorwürfe ein

Seit Prüfung der Vermietungen an Flüchtlinge äußert sich erstmals SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk zu konkreten Vorwürfen.

Ertürk ordnet Miet-Vorwürfe ein
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Jetzt redet Mustafa Ertürk. In einem exklusiven Redaktionsgespräch mit der Westdeutschen Zeitung und Welle Niederrhein kann der SPD-Ratsherr grobe Vorwürfe in der Affäre um Wohnungsvermietungen an Flüchtlinge widerlegen beziehungsweise einordnen. Es geht um die Zwischenergebnisse des jüngsten Berichtes der Rechnungsprüfungsanstalt (RPA). Mit am Tisch sitzen Ertürk-Anwalt Tim Cörper sowie als Kronzeugen die Architekten Olaf und Mark Haagen, die mit den in Rede stehenden Immobilien befasst waren. Ertürk hat aber auch jede Menge Dokumente mitgebracht. Und Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Herr Ertürk, einige Vorwürfe sind seit letztem Sommer im Raum, die neuesten eine Woche alt. Warum reden Sie erst jetzt?

Ertürk: Weil auch meine Leidensfähigkeit Grenzen hat. Ich habe von Beginn alles getan, um Transparenz in diese komplizierte Gemengelage zu bringen. Proaktiv. Bislang gibt es aber nur Zwischenergebnisse, es fehlen wichtige Unterlagen, die noch keinen Eingang in die Bewertung der Prüfer gefunden haben, weil sie unverständlicherweise noch in der Verwaltung liegen. Auf der anderen Seite werden diese Halb-Ergebnisse an die Öffentlichkeit lanciert in einem atemberaubenden Tempo. Das wiederum wird als Steilvorlage genutzt für eine bewusste Falsch-Darstellung durch ein Medium. Ich werde auf Unterlassung klagen und habe wegen des Durchstechens von nicht-öffentlichen Informationen zudem Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Olaf Haagen: Wir arbeiten seit 1974 in diesem Metier in Krefeld und haben schon viel erlebt. Aber hier wird versucht, Herrn Ertürk gezielt zu schaden, das ist eindeutig zuviel.

Was heißt Falsch-Darstellung?

Ertürk: Nehmen wir den angeblichen Diebstahl von Baustrom für den Neubau an der Heideckstraße. Ich habe eine Firma aus Erkelenz als Generalunternehmen dafür engagiert, war selbst fast nie vor Ort. Abgemacht war, dass das Generalunternehmen einen Stromzähler zwischenschaltet, irgendwann haben die festgestellt, dass sie es vergessen hatten. Ich bin sofort auf die Stadt zugegangen und wir konnten uns am Ende auf eine Ausgleichssumme einigen. Das hat lange gedauert, lag aber nicht an mir.

Haagen: Zum Vorwurf der Vermietung eines Schwarzbaus kann ich vielleicht Ihnen etwas sagen. Das ist lächerlich. Herr Ertürk hat die Immobilie Hubertusstraße 68 mit acht Wohnungen erworben. Auf Grundlage eines amtsgerichtlichen Gutachtens. Unumstritten ist und bleibt, dass Wohnen dort immer genehmigt war. Nun ist noch ein zweiter Rettungsweg gefordert, wir arbeiten an einer langfristigen Lösung.

Was ist mit den Vorwürfen zuviel gezahlter Betriebskostenpauschalen und falsch zuviel berechneter Quadratmeter?

Ertürk: Ebenfalls geklärt, es geht um die zwei Wohnungen in der Heideckstraße. Es war die Verwaltung, die mir seinerzeit eine Pauschale für die Betriebskosten anbot, weil beide Seiten keinerlei Erfahrungen mit dem Wohnverhalten von Flüchtlingen haben. Als deutlich wurde, dass diese Pauschale zu hoch angesetzt war, haben wir rückwirkend spitz abgerechnet, damit der Stadt kein Schaden entsteht. Auch davon ist im RPA-Bericht nichts zu finden. Die Verringerung der ursprünglich vermieteten Quadratmeterzahl ist durch Baumaßnahmen entstanden. Ich bin sofort auf die Verwaltung zugegangen und habe darauf gedrungen, die Verträge zu ändern. Vielleicht noch etwas. Ja, es gab Schimmel in von mir verpachteten Wohnungen. Entstanden durch einen Wasserschaden — und behoben. Das betrifft zwei Wohnungen, nicht wie von einem Medium behauptet, alle.

Das alles betrifft die Wohnungen, die Sie direkt an die Stadt vermietet haben. Sie hatten allerdings bislang bestritten, mit der Vermietung durch die Via Real Estate zu tun zu haben, bei der Ihre Lebensgefährtin Geschäftsführerin ist. Im RPA sind Sie als Ansprechpartner hinterlegt. Haben Sie gelogen?

Ertürk: Nein. Diese 16 Wohnungen, für die angeblich zuviel Miete bezahlt worden sein soll, habe ich an die Via verpachtet. Ich bin weder Gesellschafter noch führe ich irgendwelche Geschäfte. Als Besitzer habe ich jedoch die Pflicht, bei Schäden aktiv zu werden, ich verpachte ja zum Beispiele nicht Gebäudeversicherung mit. Für solche Fälle habe ich mich selbst bei der Verwaltung als Ansprechpartner hinterlegt. Und die sind eingetreten, deshalb ist Korrespondenz dokumentiert. Mit dem operativen Vermietungsgeschäft habe ich aber nichts zu tun. Trotzdem sei mir der Hinweis erlaubt: Selbst Haus und Grund hat festgestellt, dass die Miethöhen in diesen Immobilien absolut der Norm entsprechen.

Haben Sie aus Ihrer Sicht gar nichts falsch gemacht?

Ertürk: Doch, natürlich. Vielleicht war ich manchmal zu langsam in der Reaktion, habe Situationen unterschätzt. Aber ich habe eine Menge gelernt. Die letzten Monate waren sehr schwer für mich und meine Familie. Das hatte Züge einer Hexenjagd.

Die Prüfung dauert an, die Staatsanwaltschaft befasst sich weiterhin mit der Materie, irgendwas bleibt immer kleben. Wie gehen sie politisch damit um?

Ertürk: Meine Fraktion hat mich immer bei der Aufklärung unterstützt, wir sind in Beratungen. (Anm. d. Red: Am Abend gab es eine gemeinsame Erklärung von SPD-Fraktionschef Benedikt Winzen und Mustafa Ertürk, siehe Seite 15)

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