Erinnerung: Weihnachten in Stalingrad

Sterne leuchten über dem Ural und über Bockum: Vor 60 Jahren feierte der Kriegsgefangene Heinz Huhnen Weihnachten im Gefangenenlager 7108/2 in Stalingrad.

Krefeld. "Hoffen will ich ja, noch in diesem Jahr bei Euch zu sein, aber ob es wahr wird? Ich kann es mir fast nicht vorstellen." Zeilen, die Heinz Huhnen schrieb zur Weihnachtszeit 1949, also vor sechzig Jahren, in winzig kleinen Buchstaben auf einer Karte aus dem Lager 7108/2 in Stalingrad. Die Karte ging an seine Eltern in der Bockumer Jägerhofstraße (heute Friedrich-Ebert-Straße). Huhnen war kurz zuvor von einem Militärtribunal vom Kriegsgefangenen zum Kriegsverbrecher umdeklariert und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.

"Für uns alle würde es wohl die traurigste Weihnacht des Lebens werden", bekennt er in seinem Buch "Ein Jahrzehnt in sowjetischen Lagern". Für den heute 87-Jährigen ist es 1949 das achte Fest fern der Heimat. 1941 war er mit damals 18 Jahren zur Flugabwehr eingezogen worden und gerät 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

Mehr als 3000 Kilometer von zu Hause, an der unteren Wolga hofft er auf eine baldige Rückkehr, da in diesen Monaten 1949 die große Rückkehrwelle der deutschen Gefangenen begonnen hat. Er weiß nicht, dass er hier noch fünf schwere Jahre vor sich hat.

In der Wintermonaten 1949 heult ein erbarmungsloser Sturm aus den Steppen Kasachstans über das Lager. Wie kalt es genau war, weiß Heinz Huhnen nicht. "Wir hatten kein Thermometer. Aber wenn die Spucke als Eis auf dem Boden ankam, dann war es so um die vierzig Grad Minus."

Die ausgehungerten Männer (Huhnen wog bei seiner Entlassung 1955 59 Kilo) hausten in eiskalten Baracken. "Nicht einmal das Eis von den Bettgestellen war abgetaut. Das Füllmaterial für die Strohsäcke war nasses Sägemehl."

In seinen Erinnerungen beschreibt Huhnen den ersten Weihnachtsmorgen: "Geweckt wurde ich mit dem Weihnachtslied ,O du fröhliche’, das zwei Geigenspieler herunterfiedelten. An den Fenstern glitzerte der Rauhreif und auf den gegenüberliegenden Betten saßen fröstelnde Gestalten, die den Musikanten mit tränenden Augen zuhörten. Es war gut gemeint von den Musikern und keiner wagte seine Stimme zu erheben, um diese wohl für alle in dem Raum unvergessliche Stunde am Weihnachtsmorgen zu stören."

Sechs Jahre später - Huhnen ist inzwischen in ein Lager in Swerdlowsk im Ural (heute Ekaterinburg) verlegt - schrieb er kurz vor Weihnachten nach Hause: "Hier gibt es wenigstens etwas Tannengrün, so dass auch bei uns am Weihnachtsabend ein Weihnachtsbaum an das Fest des Friedens erinnert." Ein Jahr später kehrt er zurück nach Hause.

Der 87-Jährige kramt in seinem Vaterhaus in seinem Archiv und holt einen Ausweis der katholischen Jungschar hervor. Eintrittsdatum 15.November 1933. Das war nach der Machtergreifung Hitlers. "Ich war kein Nazi. Ich bin alles andere als begeistert in den Krieg gezogen", sagt Huhnen.

2009 wird er mit seinen vier Enkeltöchtern, zwei Töchtern und Ehefrau Hanni zu Hause in Bockum feiern.

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