Einbürgerung: Einmal Fußball-Weltmeister sein

300 Menschen haben sich seit Mai 2016 in Krefeld einbürgern lassen — die meisten von ihnen stammen aus der Türkei und Großbritannien. Die Gründe sind sehr unterschiedlich, vor allem aber politischer Natur.

Einbürgerung: Einmal Fußball-Weltmeister sein
Foto: Jochmann

Krefeld. Mark Ennis ist seit Donnerstag deutscher Staatsbürger. Im feierlichen Rahmen des großen Rathaussaals sprach der gebürtige Ire Oberbürgermeister Frank Meyer die Eidesformel nach, mit der er seine Loyalität zur deutschen freiheitlich demokratischen Grundordnung bekundete. Mit dieser ungewöhnlichen Live-Einbürgerung krönte Meyer den Empfang, zu dem er alle 300 Krefelder eingeladen hatte, die seit Mai 2016 deutsche Staatsbürger geworden sind.

„Warum möchten der Autolackierer und die Friseurin aus Griechenland, der IT-Spezialist aus Hanoi, die Kinderpflegerin aus Marokko oder der pensionierte Ingenieur aus Ostengland unbedingt Deutsche werden?“, fragte Meyer rhetorisch. Eine Einbürgerung sei zwar kein Hexenwerk, aber sie koste Zeit, Geld und Mühe. Es sei ein „dickes Brett“ für alle Beteiligten, alle Anforderungen zu erfüllen: die deutsche Sprache zu erlernen, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, die Rechts- und Gesellschaftsordnung zu kennen und acht Jahre lang in Deutschland zu leben — straffrei. Manch einer müsse sogar den Pass seines Heimatlandes abgeben, wodurch er seine Wurzeln verliere.

„Einbürgerung ist ein starker, selbstbewusster und mutiger Schritt“, sagte Meyer. Mit Integration habe das nur am Rande zu tun, denn wer sich einbürgern lasse, sei bereits integriert. Andererseits kenne er viele perfekt integrierte Mitbürger, die nie auf die Idee kämen, sich einbürgern zu lassen. Kein Pass und keine Nationalität sage etwas über den einzelnen Menschen aus, über seine Eigenschaften, Begabungen und sozialen Fähigkeiten. Viele der Neubürger gehörten schon der zweiten oder dritten Generation der Gastarbeiter an, die in den 1960er Jahren nach Krefeld kamen.

Überrascht habe es ihn, dass von den 300 Neubürgern die 30 Briten nach den 66 Türken an zweiter Stelle der Statistik stehen, gefolgt von 27 Polen, 22 Griechen, 14 Italienern und elf Niederländern. „Hat der Brexit doch greifbare Folgen?“, fragte Meyer.

Die WZ ging der Frage nach: Der Ire Mark Ennis findet den Brexit „idiotisch“. Er habe in Großbritannien ein Chaos angerichtet und sei für Irland wirtschaftlich schädlich. Der Brexit sei aber nicht der persönliche Grund für seine Einbürgerung. „Ich wollte auch einmal Fußball-Weltmeister sein“, sagte er mit typisch britisch-irischem Humor. Tatsächlich folgte er der Liebe. Seine deutsche Frau aus Oberhausen machte 1989 Urlaub in Irland. Er folgte ihr — noch ohne Deutschkenntnisse — und nahm eine Stelle bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf an. Mit seiner Familie wohnt er heute in Krefeld. „Hier ist es weniger hektisch als in Düsseldorf.“ Ennis’ drei Kinder wachsen zweisprachig auf. Als Hauptgrund für die jetzige Einbürgerung nennt der überzeugte Europäer: „Ich möchte endlich nicht nur an den Kommunal- und Europawahlen teilnehmen, sondern auch an den Landtags- und Bundestagswahlen.“

Auch die Engländerinnen Jean Reinirkens und Angela Teichert sind beim Empfang dabei. Sie leben seit mehr als 40 Jahren in Deutschland. Reinirkens kam damals als Fremdsprachensekretärin, Teichert heuerte noch ohne Deutschkenntnisse als Englisch- und Französischlehrerin in Frankfurt an. Später heirateten sie deutsche Männer und landeten in Krefeld.

„In England dürfen wir trotz englischem Pass nicht mehr wählen, weil wir schon zu lange außer Landes sind“, erzählen sie. Das soll sich nun in Deutschland endlich ändern. Nach England möchten sie nicht zurück. Die politischen Unruhen, der Brexit und der Terror schrecken sie ab. Sie besuchen lieber die britische Ausstellung in Haus Lange und genießen die lebhafte Gastronomie in Krefeld. „Bis auf den Provinzbahnhof in Krefeld gibt es hier gute Verkehrsanbindungen“, sagt Teichert und diskutiert mit der Freundin über die Grenzen von Fischeln und Königshof. Besser kann Integration nicht ausfallen.

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