Ein Idyll voller kreativer Keramik

Vor 20 Jahren verwandelten Rieke Hartwig und Antje Schwittmann-Schops ein kleines Häuschen am Inrath in ihr Atelier mit Werkstatt — ein inspirierendes Umfeld.

Ein Idyll voller kreativer Keramik
Foto: Dirk Jochmann

Inrath. Allerlei Vogelmelodien zwitschern aus dem bewachsenen Innenhof und den vielen umliegenden Gärten bis in die Werkstatt. Ansonsten herrscht Stille im kleinen weißen Häuschen an der Inrather Straße 697 a. Nur der Ton spricht. Selbstverständlich im übertragenen Sinne. Die Struktur des roten Materials auf den Arbeitsplatten von Rieke Hartwig und Antje Schwittmann-Schops ist wichtige Inspiration für beide Keramikerinnen. Sie verbindet die ganz unterschiedlichen Grundlagen, Formgebungen, Gestaltungsweisen ihrer Kunst, der sie sich in dem ehemaligen Wohngebäude widmen.

Freundlich lächelnd grüßt Rieke Hartwig eine Passantin durch die gardinenlosen Fenster ihres Werkstattraums im Atelier „Feuerfest“. Die beiden Kolleginnen und Freundinnen, die sich 1979 im Keramikdesign-Studium an der Fachhochschule Niederrhein kennenlernten, haben viele Bekanntschaften im Umfeld gemacht und Plauderstündchen mit Nachbarn genossen, seit sie vor 20 Jahren mit ihrem Arbeitsplatz ans Inrath zogen. Immer wieder schauen Menschen herein, wollen nur mal Hallo sagen oder sehen, was Neues entstanden ist.

Ein afrikanischer Wasserbüffel nimmt in Antje Schwittmann-Schops’ Händen Gestalt an. Sie formt den hohlen Körper, den wuchtigen Kopf, die riesigen geschwungenen Hörner und die Beine aus Tonplatten. Mit Ziehklinge und Messer macht sie sich an die Details, bevor Pinsel und Farbe zum Einsatz kommen.

„Die Grundform ist immer ein Korpus, aber oft ergibt sich erst bei der Arbeit, was daraus wird, es verändert sich während des Arbeitens“, erklärt die 61-Jährige, „die Oberfläche und die Tonfarbe bestimmen bei mir, wo es hingeht. Da bestimmt die körnige Struktur des Tons, den die beiden Künstlerinnen speziell für ihre Zwecke in dieser Konsistenz und Farbe in einem sogenannten Tonschneider anmischen, welches Tier diesmal geboren wird. Zum Beispiel weil die Farbe dem Fell oder Federkleid des Originals ähnelt. Überdimensionale Käfer, Krebse oder Gottesanbeterinnen sehen so aus, als würden sie durch ihr Zimmer in dem ehemaligen Wohnhaus krabbeln. „Ich bevorzuge Exoten oder vom Aussterben bedrohte Arten, nicht Hund, Katze, Maus“, sagt Schwittmann-Schops.

Dass sie sich kreativ mit Insekten, Vögeln, Gürteltieren und vielem mehr auseinandersetzt, war nicht immer so. In ihrer ersten gemeinsamen Werkstatt-Atelier-Station im Klärwerk in Uerdingen — ab 1991 mit zwei weiteren Keramikerinnen — hatte Schwittmann-Schops Vasen oder Vasenobjekte an der Scheibe gedreht. „Ganz pingelig habe ich akkurate Gefäße gemacht, irgendwann ist mir das aber zu öde geworden“, erinnert sie sich. Vor zehn Jahren ergab sich durch neue Ideen für eine große Ausstellung Krefelder Künstler in der Kulturfabrik ihre Wende zu „Viechern“, wie sie grinsend sagt. „Das macht viel Spaß, deshalb bleibe ich dabei.“

Schmuckstücke der beiden stehen auch im wilden Ateliergarten. Rieke Hartwigs ein bisschen an Häuser erinnerende Objekte können beleuchtet werden, andere sind Bioethanolbrenner verschiedener Größen, die wie Kerzen angenehmes Licht spenden. Dosen, Vasen für einzelne Blumen, Uhren und vieles mehr sind im Atelier zu entdecken.

Gerade hat die 59-Jährige aus einer extra angemischten Portion Ton in einer speziellen Walze eine Platte geformt. Mit einem Spachtel arbeitet sie Strukturen heraus. Die körnigen Bestandteile ziehen dabei Muster ins Material. „Das ist quasi Malerei mit Krümeln“, drückt es die Künstlerin mit einem Schmunzeln aus. Indem sie ritzt, Formen hineinstempelt oder glättet, kommt sie zu ihren keramischen Bildern. Dabei lässt sie sich oft von Fotos inspirieren, die sie zum Beispiel in der Provence gemacht hat. Die Rückseite einer französischen Häuserzeile, eine Fassade mit Schaufenster oder ein Fahrrad vor einer uneben verputzten Gebäudefront findet sich dann abstrakt in ihren Platten wieder.

Neu ist die direkte Verbindung ihrer Fotos mit der Keramik. Auf einem Aluminiumverbund werden die Fotos gedruckt, deren Linien, Motive und Szenen dann in die Tonplatten verlängert werden. Rieke Hartwig schaut kurz aus dem Fenster auf die Inrather Straße und zieht den Spachtel über ihre Tonplatte.

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