Ein „Spukschloss“ im Keller

Seit über einem halben Jahrhundert findet der Jazzkeller Fans–mitunterin der ganzen Welt.

Krefeld. Wie jeder Mensch, der Musik liebt, wollte auch Günter Holthoff gerne selbst ein Instrument spielen. "Aber ich habe schnell erkannt, dass ich das meinen Mitmenschen nicht zumuten kann", sagt der Geschäfsführer des Jazzklubs, den in Krefeld jeder nur "Fongi" nennt. "Als ich zur Gitarre gegriffen habe, hat sich unser Wellensittich beinahe das Leben genommen."

Also beschloss Holthoff, damals gerade 20 Jahre alt, sein wahres Talent zu nutzen: die Fähigkeit zur Organisation. Im Jahr 1957 stellte er an einem Gymnasium in Rheinhausen sein erstes Konzert auf die Beine. "Der Direktor hatte was dagegen", erinnert er sich. "Also sind wir spontan in eine Gastsstätte ausgewichen." Wenig später übernahm er im Jazzkeller die Programmgestaltung - und hat sie bis heute inne, neuerdings gemeinsam mit dem 37 Jahre jüngeren Andreas Lessenich.

Wenn Holthoff der gute Geist der Jazzszene in Krefeld ist, dann ist der Jazzkeller sein Spukschloss. Der Klub, vor 30 Jahren aus dem Keller hervorgegangen, lässt hier seine Konzerte und Reihen wie Jazzattack stattfinden. "Die Leute, die hier spielen, sind alle Bundesliga, manche gehören in die Nationalmannschaft", sagt Holthoff. "Viele könnten wir eigentlich gar nicht bezahlen. Aber die spielen hier für ihr Leben gern. Sie kommen, um sich und dem Publikum eine Freude zu machen."

Dennoch muss Holthoff für jedes Konzert ein Minus von 1000 Euro kalkulieren. Finanziert wird das durch einen kleinen Zuschuss von der Stadt, durch Sponsoren, aus den Jahresbeiträgen der inzwischen 250 Vereinsmitglieder und durch geschicktes Rechnen. Für Holthoff ist das kein Problem: Er war früher Finanzbeamter und am Ende seines Berufslebens Leiter des städtischen Rechnungsprüfungsamtes.

Eine Schreibtisch-Vergangenheit hat auch Bernard Bosil, der mit seiner Frau Jeanette Wolff den Jazzkeller betreibt. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann sowie Finanz- und Lohnbuchhalter sorgt dafür, dass der Keller auch jenseits der Jazzklub-Konzerte ein lupenreiner Live-Laden ist. "Im Dezember hatten wir an 31 Tagen 29 Veranstaltungen", erzählt Bosil. Im Jahr kommt er auf mindestens 220Tage Programm. "Ich wäre kein Typ für eine Eckkneipe", sagt er.

Als Bosil den Keller vor drei Jahren übernommen hat, war der Laden "am Rand des Ruins", wie Holthoff formuliert. Während der Vorbesitzer stark auf Partys gesetzt hatte, ging Bosil "radikal zurück zum Kerngeschäft" und renovierte den Keller konsequent: "Was wir verdienen, fließt direkt wieder in den Laden."

Das Konzept läuft so gut, dass der Keller fast ein Dreivierteljahr im Voraus ausgebucht ist. "Der Aufwand ist gigantisch", sagt Bosil. "Wir bekommen pro Woche 15 Anfragen aus aller Welt." Zumal Krefeld kein ganz einfaches Pflaster für Live-Musik ist, wie Bosil festgestellt hat. "Gegenüber anderen Städten sind die Preise lächerlich. Was hier sechs bis zehn Euro Eintritt kostet, dafür zahlt man in den großen Städten 15 bis 20 Euro. Und trotzdem quengeln manche Leute. Da packe ich mir an den Kopf."

Dennoch ziehen gerade die Jazzklub-Konzerte viele Gäste an. Der Name des Jazzkellers, der seit 51 Jahren mit Krefeld verbunden ist, hat in der gesamten Szene einen Klang - so sehr, dass selbst ein bescheidener Hintergrund-Malocher wie Günter Holthoff einen gewissen Stolz erkennen lässt: "Hier", sagt er, "erlebt man wirklich Jazz vom Feinsten."

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