Die Augenärzte werden knapp

Engpässe: Auf 13000 Krefelder kommt nur ein Facharzt. Wartezeiten von bis zu sechs Monaten sind keine Seltenheit.

Krefeld. Beim Autofahren hat Christina Leven es festgestellt: Die Verkehrsschilder in weiter Entfernung ließen sich schwerer lesen. Da war für die verantwortungsbewusste Mutter von zwei Kindern klar: "Ich muss zum Augenarzt." Mit diesem Entschluss begann ein Telefon-Marathon. "Viele Augenärzte hatten erst in vier Monaten einen Termin frei. Manche sagten mir: Wir nehmen gar keine neuen Patienten mehr", berichtet die Krefelderin.

Auch der Augenarzt, bei dem die 40-Jährige mit ihren Kindern in Behandlung ist, wollte sie selbst nicht untersuchen. Arzthelferinnen rieten ihr ganz klar, sie solle doch zum Optiker gehen. "Ich wollte aber erst einmal eine grundsätzliche Untersuchung der Augen und keine reine Sehkraft-Bestimmung", erklärt Leven.

So wie der selbstständigen Designerin geht es vielen Patienten, die einen Termin beim Augenarzt brauchen. Wartezeiten von sechs Monaten sind keine Seltenheit. Es sei denn, man ist Privatpatient oder Selbstzahler. Die Augenarzt-Praxis im Behnisch-Haus zum Beispiel lässt ihren Anrufbeantworter ganz klar verkünden: Sondersprechstunden sind für Privatpatienten und Selbstzahler möglich. Da wartet der Patient dann nur zwei Wochen.

18 Augenärzte gibt es in Krefeld - die meisten am Ostwall. Es gibt keine Vorschrift, sich in einem bestimmten Stadtteil niederzulassen. Somit gibt es in Uerdingen nur noch eine Augenärztin. Ihr Terminbuch läuft über.

In Krefeld kommt auf etwa 13000 Einwohner ein Facharzt der Augenheilkunde - ein vergleichsweise guter Wert. Es ist keine Praxis in der Seidenstadt vakant. Aber warum sind die Wartezeiten so lang?

"Seit Jahren haben sich unsere Budgets nicht erhöht. Aber die Anforderungen sind gestiegen. Das führt dazu, dass die uns zugesagten Mittel für Kassenpatienten nach acht bis zehn Wochen ausgeschöpft sind. Das Quartal hat aber zwölf Wochen", versucht Dr. Karl Boden, Obmann der Augenärzte in Krefeld, die Situation zu erklären. So könnten sich manche Kollegen nur retten, in dem sie am Quartalsende Urlaub machten oder nur noch Privat- und natürlich Notfall-Patienten behandeln. "Wenn ich mein Budget überschreite, muss ich das als Arzt ja unter Umständen selbst bezahlen. Das Risiko kann ich nicht tragen."

Der demographische Wandel - die Menschen werden älter und damit nehmen die Augenprobleme zu - und die Verbesserung der medizinischen Möglichkeiten führen zu einem Anstieg der Behandlungstermine. Außerdem sorgen Vorsorgeprogramme dafür, dass zum Beispiel Diabetiker jetzt regelmäßig zum Augenarzt gehen.

Ein weiteres Problem sei laut Boden die Zunahme der ambulanten Operationen. Früher war ein Patient nach einer Augen-OP noch ein paar Tage in der Klinik. "Heute kommen die Patienten zur Nachbehandlung in die Sprechstunde. Die Mittel der niedergelassenen Ärzte wurden dafür aber keineswegs erhöht, sondern diese Einsparung in der Klinik wird einfach auf uns abgewälzt", kritisiert Boden.

Christina Leven hat schließlich mit einer Wartezeit von nur drei Wochen einen Termin bei Dr. Ulrich Loewen bekommen. Der alteingesessene Augenarzt war bis vor kurzem Obmann seiner Fachrichtung. Ihm macht insbesondere die Zukunft Sorgen: "Wir erleben hier in Krefeld gerade erst den Anfang einer deutlichen Verknappung. Die Augenheilkunde ist für junge Ärzte aufgrund der Rahmenbedingungen nicht attraktiv. Die Talfahrt ist nicht mehr aufzuhalten." Am Niederrhein kämen bereits 23000 Patienten auf einen Augenarzt. Für Christina Leven ist die Geschichte glimpflich ausgegangen: Sie braucht nur eine Lesebrille.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort