Der Stress macht Erzieher krank

Die Ausfallquote in städtischen Kitas ist besonders hoch. Eine Betroffene erzählt.

Krefeld. Ann-Kathrin Schmidt (Name von der Redaktion geändert) liebt ihren Job. Die Erzieherin leitet eine städtische Kindertageseinrichtung in Krefeld — und das mit Herzblut. „Ich finde meinen Beruf nach wie vor sehr schön“, sagt sie. „Es ist eine tolle Aufgabe, Kindern das Rüstzeug für ihr späteres Leben zu vermitteln.“ Doch ihr ist aufgefallen: „Die physischen und psychischen Belastungen haben für mich und meine Kolleginnen stark zugenommen.“

Das liege vor allem daran, dass Erzieherinnen — noch immer sind Frauen in diesem Beruf in der großen Mehrheit — viel mehr Aufgaben haben als noch vor einigen Jahren. Sie sind verpflichtet, Dokumentationen aller Art anzufertigen: über die Entwicklung ihrer Schützlinge, Eltern- und Kollegengespräche und Hygiene- und Sicherheitsbedingungen in den Einrichtungen. „Im Prinzip finde ich es gut, dass alles so präzise wie möglich festgehalten wird, aber die vielen bürokratischen Auflagen machen uns das Leben schwer“, sagt Schmidt. „Wir haben nun einmal alle nur einen achtstündigen Arbeitstag — wo soll die Zeit für die zusätzlichen Aufgaben herkommen?“

Zwei weitere Faktoren machen den Erzieherinnen ebenfalls zu schaffen: Immer mehr Kinder werden ganztägig in den Kitas betreut. Und auch die Zahl der Unter-Dreijährigen nimmt zu, die einer besonders intensiven Fürsorge bedürfen. „Immer, ständig, gleichzeitig — das sind die Prinzipien, nach denen viele Erzieherinnen arbeiten müssen“, berichtet Schmidt. „Egal, wie sehr sie rotieren, sie schaffen es einfach nicht, ihre Aufgaben vollständig und zufriedenstellend zu bewältigen.“ Die Arbeitsmenge passe nicht zur Arbeitszeit, „und daher wird der Frust immer größer.“

Frust, der anscheinend krank macht. Ann-Kathrin Schmidts Kita ist nur wenige Wochen im Jahr vollständig besetzt. „Manchmal sind bis zu fünf Leute wegen Krankheit, Urlaub oder Fortbildungen nicht da — und alle anderen laufen auf dem Zahnfleisch.“ Die Konsequenz: Die Krankenquote in den städtischen Kindertageseinrichtungen ist höher als im Rest der Verwaltung.

Schmidt weiß von Kolleginnen, die unter häufigen Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden leiden. Aber auch Depressionen und Burnout treten immer häufiger auf. „Wenn man frühkindliche Bildung will, muss man auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen“, findet die Kita-Leiterin. „Dazu gehört vor allem Zeit — und die gibt es nur mit mehr Personal.“

Zu diesem Schluss ist Ann-Kathrin Schmidt in einer beruflichen Sinnkrise gekommen. Das Kinderbildungsgesetz, beschlossen im Sommer 2007, brachte eine Fülle von Änderungen mit sich. „Eine Zeit lang wusste keiner, wie man die geforderten neuen Standards umzusetzen hat“, erinnert sie sich. „Wir wurden überhaupt nicht vorbereitet.“

Die Situation wuchs ihr über den Kopf, sie hatte keine Zeit mehr, sich um die Kinder und ihre Mitarbeiter zu kümmern. Sie schlief unruhig, konnte nicht mehr abschalten. „Neben meinem Bett lag immer ein Block, damit ich mir auch um 3 Uhr nachts noch wichtige Dinge notieren konnte“, berichtet sie. „Erst als ich mich wieder bewusst hauptsächlich auf meine Basisarbeit konzentriert habe, war ich wieder die Alte.“

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