Der Hund ist für Obdachlose oft Freund und Familienersatz

Viele Obdachlose haben Hunde. Die bekommen nicht selten mehr zu essen als ihr Besitzer. Ein Mann erzählt.

Krefeld. Menschen auf der "Platte", Obdachlose, haben meist alles verloren: Familie, Freunde, Arbeit, Geld und soziale Kontakte. Ihre besten Freunde sind oft ihre Hunde. Die Vierbeiner sind sehr häufig an der Seite der nicht Sesshaften zu finden. Diese "Underdogs" haben, ähnlich wie ihre Herrchen und Frauchen, kein einfaches Leben. Auch sie sind ohne Wohnung und müssen draußen leben. Denn in die Obdachlosenunterkünfte in Krefeld dürfen sie nicht hinein.

"Wir haben es in der Notschlafstelle für Drogenabhängige versucht, Mensch und Hund aufzunehmen, weil ihre Bindung meist sehr eng ist. Doch die Vierbeiner haben ihr kuscheliges Lager im Aufenthaltsraum nicht genutzt, sondern lagen am nächsten Morgen mit im Bett. Das geht nicht", sagt Andrea Rother von der Caritas.

Auch in der Einrichtung für Wohnungslose der Diakonie sind Hunde tabu. "Wir hatten in der Vergangenheit Kampfhunde und Vierbeiner in Ponygröße vor der Türe stehen. Da haben sich die Mitarbeiter nicht mehr ins Büro getraut", begründet Iris Hilsenitz die Entscheidung. "Das Verbot hat auch hygienische Gründe."

Anders im Café Pause, einer Einrichtung der Caritas. Hier werden die bellenden Freunde akzeptiert. Angelika Rother ist die Leiterin. Sie weiß: "Der Hund ist Familienersatz und Stabilitätsfaktor. Um ihn müssen sich die Halter kümmern. Sie haben aber auch die Gewissheit: ,Er gehört mir’." Den Hunden gehe es in fast allen Fällen sehr gut, sagt Rother: "Zuerst haben die Hunde etwas zu essen, dann die Herrchen."

Das bestätigt Olaf R., der mit seiner "Easy" das Café Pause besucht: "Sie hat immer ’was zu fressen, ich nicht. Ich habe alles verloren, was man verlieren kann. Vor kurzem ist mein bester Freund an Lymphdrüsenkrebs gestorben", sagt der 43-Jährige. "Danach habe ich mir den Hund angeschafft. Es ist ,Easy vom Theaterplatz’", sagt er schmunzelnd. "Da wurde sie gezeugt."

Die Hündin ist ein Schäferhund-Mischling und total süß. Sie ist zehn Monate alt, sehr auf ihr Herrchen fixiert und hat es gut: "Ich habe eine kleine Wohnung", erzählt Olaf R. "Dort liegt unter einem Tisch ihre ,Höhle’, in die sie ihre ,Beute’, ihren Markknochen, trägt und mit dem Stofftier kämpft. Wenn sie bei mir ist, fällt mir nicht die Decke auf den Kopf. Wenn ich morgens aufwache, ist sie da."

Die Schutzimpfungen hat er finanzieren können, doch der 43-Jährige mag nicht daran denken, was passiert, wenn Easy krank wird. "Dann habe ich ein Problem. Den Tierarzt werde ich nicht bezahlen können." Deshalb steht Bürsten, Ohren- und Zahnpflege auf dem täglichen Program. "Ich komme von einem Bauernhof, da hatten wir früher immer Hunde. Ich kenne mich aus."

Am liebsten würde Olaf R. ein Schild um Easys Hals hängen: "Bitte nicht füttern." Es sei schrecklich, was die Leute dem Hund vor das Maul werfen. Davon werde er nur krank, befürchtet er.

In einigen Städten, wie in Düsseldorf beispielsweise, gibt es eine kostenlose tierärztliche Sprechstunde für Obdachlosen-Hunde. Andrea Rother könnte sich eine derartige Einrichtung auch in Krefeld vorstellen. "Einmal im Monat, mit einer Anbindung an unsere Einrichtung, wäre es möglich, wenn sich Tierärzte dafür stark machen ", überlegt sie laut.

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