Das Haus der Weggesperrten

Otto Paulitschek ist von seiner 24. Mission auf den Philippinen heimgekehrt. Die „Krefelder Hilfe für Tondo“ lebt. 2009 möchte „Doc Otto“ wieder hin – mit 90!

Krefeld. "Weggesperrt im Irrenhaus" - so titelte die WZ am 20. Juli 2007, nachdem der frühere Chefarzt des Krankenhauses Maria-Hilf sein Vorhaben präsentiert hatte, in Bulacan auf der philippinischen Insel Luzon eine Psychiatrie für Männer zu bauen.

Anderthalb Jahre vorher, Ende 2005, war Dr. Otto Paulitschek von Schwestern des "Saint Paul College of Bocaue, Bulacan" ganz gezielt zu einem Knast für geisteskranke Männer geführt worden. Das Komitee "Ärzte für die Dritte Welt" (Frankfurt), dem der Krefelder Chirurg seit seiner Pensionierung vor 24 Jahren angehört, sollte auf Wunsch der "Sisters of St. Paul" vermehrt starke Beruhigungsmittel nach Bulacan schicken.

Der Besuch im 120 Kilometer von Manila entfernten Irrenhaus schockierte Paulitschek: Er sah junge Männer weggesperrt hinter rostigen Gittern im eigenen Urin, abgeliefert und vergessen von den Angehörigen. Kinder von amerikanischen Soldaten, die in Nord-Luzon stationiert waren, und einheimischen Frauen, gezeugt nicht selten im Bourbon- oder DrogenRausch. Vater zurück in den USA, Mutter abgetaucht.

Dank eines Großspenders aus Krefeld, der anonym bleiben möchte, stieß "Doc Otto" ein Projekt an, das jetzt nahezu fertiggestellt worden ist: Eine Psychiatrie für die Männer ohne Gitter mit anständigen Sanitäranlagen. Der Umzug der Patienten wird in Kürze über die Bühne gehen. Soeben ist der 89-jährige Dritte-Welt-Arzt von seiner 24. Mission auf den Philippinen nach Krefeld zurückgekehrt. Drei Jahre konnte er sich dort nicht sehen lassen, weil seine Frau ein Pflegefall geworden war. Seit diesem Sommer ist Otto Paulitschek Witwer.

Rastlos in Fernost: Im Rahmen seines kurz nach der Pensionierung gegründeten und ins Komitee eingebundenen Projektes "Krefelder Hilfe für Tondo" eilte Doc Otto in den zwei Wochen seines Philippinen-Aufenthaltes von Schauplatz zu Schauplatz: Er besuchte Tondo im Nordwesten der Megapolis Manila, wo bis in die 90er Jahre der "Smokey Mountain" qualmte und die Menschen im Müll nach Verkäuflichem stocherten.

Der Berg ist begrünt, neue Bebauung reicht an seine Flanken. Als der "Smokey Mountain" dicht gemacht und keine Touristen mehr angekarrt werden durften, gruben die Slumbewohner auf dem nächsten Müllberg in Payatas nach Wertstoffen. Doch auch dort ist das "urban mining" vorbei: Die Kippe ist begrünt, schön anzusehen.

Am 5. Dezember traf Otto Paulitschek in Tondo John Valdez wieder, den er vor 20 Jahren zum ersten Mal behandelt hat. Tuberkulose und Menengitis haben dazu geführt, das der heute 26-jährige Valdez weder laufen, sprechen noch selbständig urinieren kann. Doc Otto notierte auf seinem Wunschzettel einen Rollstuhl für John.Tala, das Aussätzigen-Dorf, eine Autostunde von Manila entfernt im Grünen:

Hier wohnen Infizierte und Nicht-Infizierte zusammen, ziemlich isoliert von der Außenwelt. Nicht wenige haben zur Lepra auch noch Tuberkulose, auch viele Kinder (Primärkomplex), bei denen die Therapie erfolgversprechend ist. Vor 22 Jahren erlebte die WZ den Beginn des Aufbaues des "Krefeld Ward" (Krefelder Station) mit, an der bis heute die Schiefbahner Leprahilfe maßgeblich beteiligt ist. Schickte sie anfangs bündelweise Decken, so finanziert sie heute ein "Feeding-Program" für die Kinder von Lepra-/Tbc-Patienten.

Bis zu 52 Kinder werden zur Behandlung in den stationseigenen Kleinbus gepfercht - der Spaß dabei ist garantiert.Samar, die nächste Insel westlich von Luzon: "Der Besuch dort stand gar nicht auf meinem Plan", berichtet Paulitschek. Natürlich war er trotzdem da. Die Schule, die er mit Spendenmitteln für die "Blue Sisters" (zu erkennen am hellen Blau ihrer Kluft) bauen ließ, hat einen Baumangel: Es regnet durchs Dach. Gewährleistung? Fehlanzeige.

Doc Otto hat auch dieses auf seinem Wunschzettel vermerkt. Und eine Nachlass-Spende, die zur Dachreparatur verwendet werden soll, hat er praktisch schon in der Tasche.Ob er im kommenden Jahr nach der Monsunzeit zur Jubiläums-Mission, dann im 91. Lebensjahr, aufbrechen wird? "Wenn ich gesund bleibe, dann sicherlich". Helfen macht den praktizierenden Christen irgendwie nicht älter.

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